Der sich für Verfahren der elterlichen Sorge aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG ergebende Regelwert kann auf der Grundlage der Vorschrift des § 45 Abs. 3 FamGKG herauf- oder herabgesetzt werden und zwar dann, wenn der nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Aus diesem Grunde sollten Kriterien entwickelt und benannt werden, die den Regelfall des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG betreffen, um ausgehend davon bestimmen zu können, wann unter Billigkeitsgesichtspunkten vom Regelwert abzuweichen ist.

Entgegen der Auffassung des OLG Düsseldorf sollten die Gerichte hier grundsätzlich großzügiger verfahren, zumal die Vorschrift selbst kraft der Fiktion des § 45 Abs. 2 FamGKG, dass mehrere Kinder als ein "Verfahrensgegenstand" gelten, bereits eine kostenrechtliche Privilegierung der beteiligten Eltern zum Nachteil ihrer Verfahrensbevollmächtigten enthält. Dabei verkennen die Gerichte – so auch das OLG Düsseldorf –, dass nahezu jedes Verfahren die elterliche Sorge oder das Umgangsrecht betreffend umfassend ist und stets mit hohem zeitlichen Aufwand zu betreiben ist, dem die Vorschrift des § 45 Abs. 1 FamGKG ohnehin in keiner Weise Rechnung trägt. Das ist auch der Grund dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten des FGG-ReformG durch die Regelung des § 45 Abs. 3 FamGKG Abhilfe hatte schaffen wollen, um ihn nicht mehr an unangemessenen Werten festhalten zu müssen. Der Verfahrensbevollmächtigte begehrte hier die Wertfestsetzung in Höhe von 5.000,00 EUR. Das FamG hatte den Wert des Verfahrens auf lediglich 3.000,00 EUR festgesetzt. Das Interesse bestand deshalb darin 303,43 EUR mehr zu erhalten:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    261,30 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV    241,20 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 522,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   99,28 EUR
Gesamt     621,78 EUR
 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    393,90 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV    363,60 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 777,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   147,73 EUR
Gesamt     925,23 EUR

An diesem Betrag sollte bemessen werden, was angemessen und unangemessen ist. Familiengerichte bestellen in Kindschaftssachen regelmäßig und auch ohne dass die Voraussetzungen für die Bestellung vorliegen einen Verfahrensbeistand. Dessen Kosten belaufen sich jedenfalls auf 350,00 EUR, regelmäßig aber auf 550,00 EUR je Kind – so jedenfalls das Verständnis in der Rspr. – und deshalb ist auch davon auszugehen ist, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Zwar ist die Auffassung des OLG Düsseldorf in dem hier geschilderten Fall noch vertretbar. Abzulehnen sind aber über das Ziel hinausschießende Entscheidungen wie die des OLG Koblenz,[1] das in einem Verfahren die elterliche Sorge betreffend drei mündliche Verhandlungstermine bei einer Gesamtdauer von sechs Stunden als den Durchschnittsfall bestimmt hat. Dann würde die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, vom Regelwert abweichen zu können, leer laufen. Die unmittelbare Begründung des Gesetzgebers zu § 45 Abs. 3 FamGKG, die das OLG Düsseldorf in Bezug nimmt, gibt leider keine Hilfestellung für die Anwendung des § 45 Abs. 3 FamGKG. Denn geringe Einkommensverhältnisse[2] können deshalb für eine Abweichung vom Regelwert nicht mehr maßgebend sein, weil schon die geringe Regelbewertung diesem Umstand Rechnung trägt. Das OLG Karlsruhe[3] lehnt zwar für den Fall, dass der Rechtsanwalt beide Elternteile vertritt, zutreffend eine begehrte Verdoppelung des Verfahrenswerts ab, hat allerdings wegen der Mehrzahl betroffener Kinder den Regelwert in einem Fall um 2.000 EUR auf 5.000 EUR erhöht. Selbst der Bezirksrevisor beim BayObLG[4] hat in der Mehrzahl betroffener Kinder in Verfahren, die die elterliche Sorge betreffen, eine Erhöhung des maßgebenden Regelwerts befürwortet. Das OLG Celle[5] nimmt die Anhebung des Verfahrenswerts in Sorgerechtssachen von 3.000,00 EUR auf 5.000,00 EUR an, wenn die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens geboten ist und das FamG die Beteiligten unabhängig von einer Kindesanhörung in mehr als einem Gerichtstermin anhört. Leitsatz und Begründung seiner Entscheidung stellen gute Grundlage für die Auslegung des § 45 Abs. 3 FamGKG dar. Auf die Gesetzesbegründung sollte deshalb nicht abgestellt werden, weil sie zu einem Zeitpunkt formelhaft formuliert worden war, zu dem es keine praktischen Erfahrungen mit der Abweichung vom Regelwert gegeben hat.

Lotte Thiel

AGS 1/2015, S. 38 - 40

[1] OLG Koblenz FamRZ 2009, 1433.
[2] BT-Drucks 16/6308 S. 306.
[3] OLG Karlsruhe OLGR 2007, 522 = AGS 2007, 44.
[4] Beschl. v. 14.10.1999 – 1Z BR. 1 52/98.
[5] AGS 2011, 200 = FamRZ 2011, 993 = FamRB 2011, 211 = RVGreport 2011, 270 = FF 2011, 333 = NdsRpfl 2011, 126.

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