[Ohne Titel]

Neben den klassischen Rechtsmitteln, wie Berufung, Revision, Rechtsbeschwerde und Beschwerde, sehen StPO und OWiG für das Straf- bzw. Bußgeldverfahren eine ganze Reihe förmlicher aber auch formloser Rechtsbehelfe vor, die der Verteidiger für seinen Mandanten erheben bzw. einlegen kann. In der Praxis besteht große Unsicherheit, wie diese abzurechnen sind. Die nachfolgenden Ausführungen stellen die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit in diesem Bereich vor.[1]

[1] Vgl. auch Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl., 2016, Teil D Rn 49 ff.

I. Einführung

Förmliche Rechtsbehelfe sieht die StPO bzw. das OWiG insbesondere vor

in den Anträgen auf gerichtliche Entscheidung, z.B. nach den §§ 111o Abs. 2, 161a Abs. 3, 163a Abs. 2, 458 StPO bzw. nach den §§ 62, 108 OWiG (dazu II. ff.),
in den Anträgen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit, z.B. nach den §§ 81g, 98 Abs. 2 S. 2, 101 Abs. 7 StPO (dazu II. ff.),
in der Anfechtung von Justizverwaltungsakten nach den §§ 23 ff. EGGVG, dem sog. Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach dem EGGVG (dazu V.),
in den §§ 172 ff. StPO das sog. Klageerzwingungsverfahren (dazu IV.),
in § 33a StPO die Nachholung rechtlichen Gehörs (dazu II. ff.),
in § 356a StPO die Anhörungsrüge (dazu II. ff.),
in § 410 StPO den Einspruch gegen einen Strafbefehl (dazu II. ff.),
im Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 67 OWiG (dazu II. ff.),
in den §§ 44, 235, 329 Abs. 7, 412 StPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (dazu II. ff.).

Daneben kennen Straf- und Bußgeldverfahren noch formlose Rechtsbehelfe wie

die Dienstaufsichtsbeschwerde, die auf Art. 17 GG beruht (dazu II. ff.),
die ebenfalls auf Art. 17 GG beruhende Gegenvorstellung (dazu II. ff.),
die Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG (dazu VI.).

Für die Abrechnung dieser Rechtsbehelfe stellt sich immer die Frage, ob für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im RVG ggf. besondere Gebühren vorgesehen sind (dazu II., 1.). Ist das nicht der Fall, erhebt sich die Anschlussfrage, wie die Tätigkeiten dann abgerechnet werden können (dazu II., 2.). Zudem hängt die Abrechnung davon ab, ob der Rechtsanwalt den vollen Verteidigungsauftrag erhalten hat oder ob er in Zusammenhang mit dem Rechtsbehelf nur im Rahmen einer sog. Einzeltätigkeit – im Strafverfahren nach Teil 4 Abschnitt 3 VV oder im Bußgeldverfahren Nr. 5200 VV – tätig wird (vgl. III.).

II. Besondere Gebühren/Verfahrensgebühr?

1. Besondere Gebühren

Für fast alle unter I. aufgeführten Rechtsbehelfe lässt sich feststellen: Für die vom Rechtsanwalt in dem Zusammenhang jeweils erbrachten Tätigkeiten sind keine besonderen Gebühren vorgesehen, und zwar weder in Teil 4 VV, wenn es um das Strafverfahren geht, noch in Teil 5 VV für das Bußgeldverfahren. Eine Ausnahme gilt nur für das Klageerzwingungsverfahren (vgl. IV.) und die Anträge nach §§ 23 ff. EGGVG (dazu V.).

2. Verfahrensgebühr

Für die Abrechnung der Rechtsbehelfe bleibt daher i.d.R. nur die Abrechnung über die Verfahrensgebühr, die für den Verfahrensabschnitt anfällt, in dem der Rechtsbehelf erhoben bzw. eingelegt wird. Das ergibt sich aus der allgemeinen Regelung für den Abgeltungsbereich der (jeweiligen) Verfahrensgebühr, wie sie in Vorbem. 4 Abs. 2 VV bzw. in Vorbem. 5 Abs. 2 VV enthalten ist. Danach verdient der Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information". Abgegolten wird dadurch die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt.[2] Das bedeutet, dass darunter auch die Tätigkeit des Rechtsanwalts in Zusammenhang mit den förmlichen und formlosen Rechtsbehelfen fällt, also z.B. für Anträge auf gerichtliche Entscheidung im Bußgeldverfahren[3] oder für Dienstaufsichtsbeschwerden.[4]

Die jeweilige Verfahrensgebühr deckt alle Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Einreichung/Erstellung des Rechtsbehelfs und/oder einer etwaigen Beistandsleistung im Verfahren ab.[5] Dies können sein die Entgegennahme der Information des Mandanten, die Fertigung und Einreichung des Rechtsbehelfs bei der zuständigen Stelle, die Beratung des Mandanten, Stellungnahmen usw. Abgegolten durch die jeweilige Verfahrensgebühr werden ggf. auch die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Hinblick auf eine ggf. statthafte Beschwerde gegen einen den Rechtsbehelf/Antrag ablehnenden Beschluss (s. aber III., 2.).

Beim Wahlanwalt sind die erbrachten Tätigkeiten im Rahmen der jeweiligen Verfahrensgebühr über § 14 Abs. 1 S. 1 RVG gebührenerhöhend geltend zu machen.[6] Beim Pflichtverteidiger ist das, da er Festbetragsgebühren erhält, nicht möglich. Ihm bleibt daher nur die Möglichkeit, ggf. eine Pauschgebühr nach § 51 RVG zu beantragen, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des Umfangs der von ihm erbrachten Tätigkeiten nicht mehr zumutbar sind.

[2] Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4 VV Rn 35 ff.; AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, VV Vorb. 4 Rn 21; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., 2023, VV Vorb. 4 Rn 9 f.; Burhoff, AGS 2021, 443; BT-Drucks 15/1971, 220.
[3] AG Betzdorf AGS 2009, 390...

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