1. Gesetzliche Regelung

Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei – das war hier der Kläger – die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grds. zu erstatten. Einschränkungen macht Hs. 2 dieser Vorschrift für Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht – wie hier – in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen bzw. wohnhaft ist. In diesem Fall sind Reisekosten nur insoweit erstattungsfähig als Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.

2. Notwendigkeit i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO

a) Allgemeine Grundsätze

Bei der Beurteilung der Frage, ob die zur Festsetzung angemeldeten Anwaltskosten (hier Terminsreisekosten) notwendig waren, kommt es nach der ständigen Rspr. des BGH darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die kostenauslösende Maßnahme aus der Sicht ex ante als sachdienlich ansehen durfte (BGH AnwBl. 2005, 792 = RVGreport 2005, 476 [Hansens], BGH RVGreport 2013, 67 [Ders.] = JurBüro 2013, 201; BGH AnwBl. 2018, 620 = JurBüro 2018, 255). Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (BGH AnwBl. 2018, 620 = JurBüro 2018, 255). Die Partei ist dabei lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH RVGreport 2013, 67 [Hansens] = JurBüro 2013, 201; BGH AnwBl. 2018, 620 = JurBüro 2018, 255). Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann – so fährt der BGH fort – unter Umständen auch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts als notwendig anzuerkennen sein.

b) Einschaltung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten grds. nicht notwendig

Die Einschaltung eines auswärtigen Rechtsanwalts ist nach der st. Rspr. des BGH nicht notwendig, wenn die Partei ihren Sitz oder Wohnsitz innerhalb des Gerichtsbezirks hat – wie es hier für die Beklagte der Fall war – und nicht einen dort tätigen, sondern einen außerhalb dieses Bezirks ansässigen Rechtsanwalt – hier die Anwaltskanzlei in Köln – beauftragt (BGH AGS 2012, 434 = RVGreport 2012, 191 [Hansens], BGH AGS 2019, 42 = RVGreport 2019, 106 [Ders.]. In einem solchen Falle kann die Partei nach der ständigen Rspr. des BGH Reisekosten nur insoweit beanspruchen, als sie entstanden wären, wenn sie einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte (BGH AGS 2019, 42 = RVGreport 2019, 106 [Ders.]).

c) Ausnahmen

Aus den Umständen des Einzelfalls können sich jedoch nach den weiteren Ausführungen des BGH erstattungsrechtlich anzuerkennende Gründe für die Beauftragung eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts ergeben. Als Beispiele verweist der BGH auf die Komplexität der jeweiligen Rechtstreitigkeit oder darauf, dass die betreffende Partei mehrere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten bei verschiedenen Gerichten zu führen hat. In einem solchen Fall kann somit die Partei die Wahrnehmung ihrer Belange durch einen Anwalt als sachdienlich ansehen (BGH AnwBl 2018, 620 = JurBüro 2018, 255). Nach den weiteren Ausführungen des BGH kann aber auch die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Anwalts ausnahmsweise dann notwendig sein, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (BGH AGS 2012, 434 = RVGreport 2012, 191 [Hansens]).

3. Die Umstände im Fall des LG München I

In Anwendung dieser Grundsätze hat das LG München I und dem folgend das OLG München nach Auffassung des BGH hier zu Recht die Zuziehung der Kölner Prozessbevollmächtigten der Beklagten als notwendig angesehen. Die Beklagte sei nämlich nicht gehalten gewesen, für die Vielzahl von im gesamten Bundesgebiet zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils gesondert einen Prozessbevollmächtigten am jeweiligen Prozessort zu beauftragen und neu zu instruieren. Durch die Einschaltung einer am Prozessort oder an dem Geschäftssitz niedergelassenen Anwaltskanzlei sei in dem hier vorliegenden Fall, in dem ein Unternehmen bundesweit in einer Vielzahl von Fällen verklagt wird, eine nennenswerte Kostenersparnis nicht zu erwarten.

4. Folgen für die Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten

a) Keine weitere Notwendigkeitsprüfung

Wenn die Hinzuziehung der Kölner Prozessbevollmächtigten der Beklagten i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO als notwendig anzuerkennen ist, ist nach den weiteren Ausführungen des BGH regelmäßig keine zusätzliche Prüfung vorzunehmen, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins gerade durch diese auswärtigen Rechtsanwälte unbedingt erforderlich war (s. BGH RVGreport 2012, 112 [Hansens]) oder ob der Termin auch durch einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt hätte wahrgenommen werden können. Dies hat der BGH damit begründet, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bes...

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