Entgegen der Auffassung der Landeskasse fällt eine Einigungsgebühr von 1,5 für den Gegenstand eines Mehrvergleichs auch dann an, wenn eine der Parteien für den Abschluss des (Mehr-) Vergleichs Prozesskostenhilfe beantragt hat.

1. Nach der Regelung in Nr. 1003 VV führt zwar u.a. die Anhängigkeit eines Prozesskostenhilfeverfahrens zur Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0. Zur Überzeugung der Beschwerdekammer ist eine Anhängigkeit in diesem Sinn jedoch nicht gegeben, soweit Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich beantragt wird.

a) Dafür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Bereits unter der Geltung der BRAGO war umstritten, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich zu einer Reduzierung der Gebühr führte (dagegen die h.M. in Lit. und Rspr., insbesondere LAG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.1997 – 7 Ta 3/97, JurBüro 1997, 585; zum Streitstand Hessisches LAG, Beschl. v. 15.2.1999 – 9 Ta 12/99, NZA-RR 1999, 380; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rn 40b mit umfangreichen Nachw.). Nach einer weiteren Mindermeinung (OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.8.1997 – 7 WF 2281/97, JurBüro 1998, 137) sollte zu unterscheiden sein, ob der beabsichtigte Vergleich erst durch das Gericht mit den Parteien erarbeitet werden muss oder ob dies bereits außergerichtlich geschehen ist und der schriftliche Entwurf dem Gericht fertig ausformuliert vorgelegt wird. § 23 Abs. 1 BRAGO lautete wie folgt:

Für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs (§ 779 BGB) erhält der Rechtsanwalt fünfzehn Zehntel der vollen Gebühr (Vergleichsgebühr). Der Rechtsanwalt erhält die Vergleichsgebühr auch dann, wenn er nur bei den Vergleichsverhandlungen mitgewirkt hat, es sei denn, dass seine Mitwirkung für den Abschluss des Vergleichs nicht ursächlich war. Soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr; das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist.

Die Regelung in Nr. 1003 VV entspricht dem weitgehend, allerdings enthält sie die Rückausnahme, dass "nicht lediglich Prozesskostenhilfe ... für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird". Die Formulierung geht zurück auf den bereits am 29.8.2001 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte (RVG) der von der damaligen Justizministerin eingesetzten Expertenkommission BRAGO-Strukturreform, der zu Nr. 1003 VV im fraglichen Teil der Gesetz gewordenen Formulierung entspricht. Nach der Begründung des späteren Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP v. 11.11.2003 sollte der Vorschlag der (Vorgänger-) Regelung des § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO entsprechen, er "soll zu einer Vermeidung des streitigen Verfahrens beitragen" (Drucks. 15/1971 S. 204). Zielrichtung der Neugestaltung sei es, "die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken". Es spricht aus Sicht der Beschwerdekammer alles dafür, dass die Rückausnahme aufgenommen wurde, um den zu § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO bestehenden Streit über die gebührenrechtlichen Folgen eines Prozesskostenhilfeantrags für einen Mehrvergleich im Sinne einer der damals vertretenen Auffassungen zu beenden. Wenn aber der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage bestätigen wollte, wird er sich insofern kaum an einer der damaligen Mindermeinungen orientiert haben.

b) Auch im Übrigen sprechen zur Überzeugung der Beschwerdekammer die besseren Gründe dafür, das Gesetz dahingehend zu verstehen, dass es mit "anhängigen Prozesskostenhilfeverfahren" lediglich eigenständige Prozesskostenhilfeverfahren meint, in denen die Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung rechtshängiger oder rechtshängig zu machender Ansprüche begehrt wird (vgl. auch KG, Beschl. v. 31.7.2007 – 1 W 259/07, Rpfleger 2007, 669), während es mit der Rückausnahme der Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs gerade die fragliche Konstellation einer Erweiterung eines Prozesskostenhilfegesuchs auf einen Mehrvergleich erfassen will. Insoweit weist der Wortlaut der Rückausnahme darauf hin, dass für den Gegenstand des (Mehr-) Vergleichs die Prozesskostenhilfe eben nur für den Abschluss des Vergleichs beantragt wird, ohne dass für den Gegenstand des Mehrvergleichs bereits ein Prozesskostenhilfeverfahren für eine beabsichtigte Rechtswahrnehmung anhängig ist. Nur für die aus der Protokollierung des Vergleichs folgende Einigungsgebühr soll Prozesskostenhilfe beantragt sein, (bezogen auf den Mehrvergleich) nicht hingegen für das Verfahren selbst. Abs. 1 letzter Hs. der Anm. zu 1003 VV stellt bereits seinem Wortlaut nach allein darauf ab, mit welcher Art von Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Gericht angegangen wird.

Die wie erwähnt bereits in § 23 BRAGO enthaltene und durch das RVG übernommene Erhöhung der Einigungsgebühr für den Fall, dass über nic...

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