Die Vorschläge von DAV und BRAK zu strukturellen Änderungen im RVG geben Anlass, auf folgende, aus meiner Sicht ebenfalls notwendige weitere Änderungen des RVG hinzuweisen.

1. Vergütungsanspruch des im Wege der PKH zugezogenen Nebenklägervertreters

§§ 397a Abs. 2 und 406h Abs. 3 Nr. 2 StPO sehen anders als § 379 Abs. 3 StPO für den Privatkläger und § 404 Abs. 5 StPO für das Adhäsionsverfahren keine Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der PKH für den Nebenkläger oder den nebenklageberechtigten Verletzten vor. § 397a Abs. 2 StPO erlaubt es lediglich, dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Antrag PKH nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist.[32]

Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse hängt gem. § 45 Abs. 1 RVG aber von der Beiordnung des Rechtsanwalts im Wege der PKH ab. Wenn es an der Beiordnung eines (namentlich vom Gericht bestimmten) Rechtsanwalts fehlt, weil dem Nebenkläger nur PKH für die Zuziehung eines Rechtsanwalts bewilligt ist, erwächst dem vom Nebenkläger zugezogenen Rechtsanwalt jedenfalls nach dem klaren Wortlaut von § 45 Abs. 1 RVG kein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse.[33] Es liegt dann auch keine sonstige Beiordnung oder Bestellung i.S.v. § 45 Abs. 3 RVG vor, weil im Rahmen von §§ 397a Abs. 2 und 406h Abs. 3 Nr. 2 StPO gerade keine Beiordnung oder Bestellung eines Rechtsanwalts vorgesehen ist. Da § 45 Abs. 1 RVG eine Beiordnung im Wege der PKH fordert, steht dem vom Nebenkläger im Rahmen bewilligter PKH zugezogenen Rechtsanwalt folgerichtig kein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu.[34]

Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse wird in § 45 RVG u.a. deshalb von der Beiordnung und Bestellung eines Rechtsanwalts abhängig gemacht, weil dadurch der Rechtsanwalt, dem der Anspruch zusteht, vom Gericht namentlich festgestellt wird. Bei der Bewilligung von PKH für die Zuziehung eines Rechtsanwalts kann der Urkundsbeamte im Festsetzungsverfahren gem. § 55 RVG nicht feststellen, ob der antragstellende Rechtsanwalt auch tatsächlich der vom Nebenkläger im Rahmen der bewilligten PKH zugezogene Rechtsanwalt ist.

Dem im Rahmen bewilligter PKH durch den Nebenkläger zugezogenen Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu versagen, weil § 45 Abs. 1 RVG ausdrücklich auf eine Beiordnung im Wege der PKH und § 45 Abs. 3 RVG auf eine sonstige Beiordnung und Bestellung abstellen, ist nicht sachgerecht und mit dem Sinn und Zweck der PKH nicht zu vereinbaren. Die PKH erstreckt sich zwar nach § 397a Abs. 2 StPO nur auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Weil dem Nebenkläger außer den Aufwendungen für einen Rechtsanwalt sonstige Kosten, die die Bewilligung von PKH rechtfertigen könnten, in der Regel aber nicht entstehen können[35] und von der gewährten PKH auch nicht erfasst werden,[36] erscheint es ausgeschlossen, die durch die anwaltliche Vertretung des Nebenklägers im Rahmen der bewilligten PKH anfallende Vergütung nicht aus der Staatskasse zu erstatten.

Der Gesetzgeber ist deshalb aufgerufen, eine entsprechende Klarstellung in § 45 RVG vorzunehmen.[37]

[33] So LG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2020 – 020 KLs-10 Js 81/19-4/19.
[34] LG Düsseldorf, a.a.O.; vgl. auch OLG Celle AGS 2019, 39 = JurBüro 2019, 39; vgl. aber OLG Hamm, Beschl. v. 13.6.2017 – III-4 Ws 90/17, das einen Vergütungsanspruch bejaht.
[35] Vgl. BT-Drucks 10/5305, 14; vgl. für die Gerichtskosten Vorbem. 3.5 und Nrn. 3510 ff. GKG KV.
[36] Vgl. Poller/Härtl/Köpf/Berndtsen, Gesamtes Kostenhilferecht, 3. Aufl., 2018, § 397a Rn 35.
[37] Vgl. auch ausf. Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§§ 44, 45, 50), Rn 2367 ff.; Volpert, Prozesskostenhilfe in Strafsachen – Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse, in: FS Burhoff, 2020, S. 293; Volpert, AGS 2020, 365; Ders., RVGreport 2020, 409.

2. § 55 RVG und Kostenberechnung

Gem. § 10 Abs. 1 S. 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 RVG betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant. § 10 Abs. 1 RVG gilt nicht auch für das Außenverhältnis zu einem dem Mandanten erstattungspflichtigen Dritten. Deshalb hängen weder die Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs noch die Geltendmachung eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs im Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO von der vorherigen Erteilung einer den Anforderungen des § 10 RVG entsprechenden Berechnung ab.[38] § 10 Abs. 1 S. 1 RVG betrifft lediglich die Frage, wann eine entstandene und nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit Erledigung des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällige Gebühr von dem Mandanten einforderbar ist.[39]

Für das Kostenfestsetzungsverfahren bestimmt allerdings § 103 Abs. 2 S. 2 ZPO, dass dem Kostenfestsetzungsantrag die Kostenberechnung, ihre zur Mitteilung an den Gegner bestimmte Absch...

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