In § 10 RVG soll das Schriftformerfordernis bei Rechtsanwaltsrechnungen durch die Textform ersetzt werden, und zwar unabhängig von der Zustimmung des Mandanten. Die vorgeschlagene Abschaffung des Schriftformerfordernisses bei Anwaltsrechnungen (vgl. § 126 BGB) und Ersetzung durch die Textform (§ 126b BGB) wird damit begründet, dass das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift nicht mehr in die digitalisierte Lebenswirklichkeit passe und die Textform auch sehr viel stärker den Bedürfnissen der Praxis nach einer einfachen Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung entspreche.

Aus meiner Sicht könnte dieser Änderungsvorschlag in die falsche Richtung weisen:

Zur digitalen Lebenswirklichkeit dürfte es eher gehören, ein digitalisiert erstelltes Schriftstück, dem eine rechtliche Bedeutung zukommt, mit einer der eigenhändigen Namensunterschrift entsprechenden qualifizierten elektronischen Signatur (§ 126a BGB) zu versehen. Der ansonsten mögliche einfache Versand einer in Textform erstellten Rechnung durch ein Standard-E-Mail-Programm (z.B. Outlook) ist missbrauchsanfällig und insbesondere auch nicht verbraucherfreundlich.

Die Anpassung von § 10 S. 1 RVG an die digitale Welt sollte deshalb eher darin bestehen, dass der Anwalt berechtigt ist, seine Kosten elektronisch nur durch eine mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Berechnung einzufordern.[15]

Diese Änderung würde sich zudem an § 19 Abs. 1 S. 1 GNotKG orientieren, der für die Notarkosten regelt, dass diese nur aufgrund einer dem Kostenschuldner mitgeteilten, von dem Notar unterschriebenen oder mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Berechnung eingefordert werden dürfen.

I.Ü. hat die Rspr. in der Vergangenheit das Unterschriftserfordernis insbesondere auch deshalb bejaht, weil der Rechtsanwalt durch die Unterzeichnung der Berechnung die zivilrechtliche, strafrechtliche (§ 352 StGB) und standesrechtliche Verantwortung für die Richtigkeit der Berechnung übernimmt.[16] Die Kostenrechnung muss eine Unterschrift erkennen lassen, d.h. einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug, der individuelle und entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. In der Rspr. und im Schrifttum wird derzeit nur die Regelung über den Inhalt der Rechnungen nach § 10 Abs. 2 RVG für dispositiv gehalten.[17]

Aus bloßen Vereinfachungsgründen sollte deshalb vom Unterschriftserfordernis des § 10 Abs. 1 S. 1 RVG kein Abstand genommen werden.

[15] Vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2022 – I-3 W 111/22, AGS 2022, 545: Die Honorarberechnung nach § 10 Abs. 1 S. 1 RVG geht dem Mandanten nicht in der erforderlichen schriftlichen Form zu, wenn die Berechnung vom Rechtsanwalt mit einfacher Signatur über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Gericht gesandt und von dort in ausgedruckter Form dem Mandanten zugeleitet wird.

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