Nach Nr. 1010 VV entsteht eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 VV richten und mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden. Die Gebühr entsteht nach der Anm. zu Nr. 1010 VV für den durch besonders umfangreiche Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand.

Nach den Motiven des Gesetzgebers zur Einführung der Zusatzgebühr Nr. 1010 VV durch das 2. KostRMoG zum 1.8.2013 soll diese Zusatzgebühr den besonderen Aufwand bei sehr umfangreichen Beweisaufnahmen ausgleichen.[6] Es soll der Wegfall der in der BRAGO noch vorgesehenen Beweisgebühr in bestimmten Ausnahmenfällen kompensiert werden, namentlich in umfangreichen Bau- oder Arzthaftungssachen. Die Gebühr soll den mit besonders umfangreichen Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand durch eine Zusätzliche Gebühr bzw. durch eine Anhebung der Terminsgebühr ausgleichen.

BRAK und DAV schlagen nunmehr vor, Nr. 1010 VV zu ändern, weil der Gebühr in der Praxis aufgrund der hohen Hürde (Kombination aus besonders umfangreicher Beweisaufnahme und drei gerichtlichen Terminen) fast nie zur Anwendung komme, Rechtsanwälten allerdings bei mehreren Terminen ein erheblicher zusätzlicher Aufwand entstehe:

Zitat

"Die Terminsgebühr erhöht sich in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 richten und mehr als zwei Termine (sowohl gerichtliche einschließlich der vor einem Güterichter als auch von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumte Termine) mit einer Gesamtdauer von insgesamt mehr als 120 Minuten wahrgenommen werden, um 0,3; bei Betragsrahmen erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag der Terminsgebühr um 30 %."

Durch die vorgeschlagene Änderung würde der ursprünglich verfolgte Zweck der Regelung in Nr. 1010 VV entfallen, nur den besonderen Mehraufwand bei sehr umfangreichen Beweisaufnahmen abzugelten.[7] Die Gebühr würde dann nämlich unabhängig von der Durchführung einer Beweisaufnahme bereits die Teilnahme an mehr als zwei gerichtlichen Terminen mit einer Gesamtdauer von insgesamt mehr als 120 Minuten abgelten. Aus der Gebühr würde dann eine reine Zusatzgebühr zur Terminsgebühr. Es käme dann nicht mehr darauf an, ob eine Beweisaufnahme stattfindet.

Problematisch wird es in der Praxis dann aber weiterhin sein, die für die Entstehung dieser Zusatzgebühr erforderliche Gesamtdauer der Termine von mehr als 120 Minuten festzustellen. In den von Teil 3 VV erfassten gerichtlichen Verfahren wird nämlich regelmäßig keine Terminsdauer protokolliert. So scheitert an der fehlenden Feststellbarkeit der Terminsdauer derzeit auch regelmäßig der Ansatz der Pauschale für die Inanspruchnahme von Videokonferenzverbindungen (Nr. 9019 GKG KV, Nr. 2015 FamGKG KV, Nr. 31016 GNotKG KV) mit 15,00 EUR für jede angefangene halbe Stunde. Deshalb ist die geplante Aufhebung dieser Regelungen[8] auch aus dieser Erwägung heraus zu begrüßen.

Auch die praktische Umsetzung der klarstellenden Regelungen zum Längenzuschlag in dem durch das KostRÄG zum 1.1.2021 eingefügten Abs. 3 in der Vorbem. 4.1 VV ist in der Praxis häufig schon deshalb ausgeschlossen, weil die Gerichte die hierfür erforderlichen Daten nicht protokollieren.

Eine Abgeltung des Aufwands bei der Teilnahme an mehr als zwei gerichtlichen Terminen könnte mit Blick auf die geschilderten praktischen Probleme besser durch eine von der konkreten Terminsdauer unabhängige Regelung erreicht werden. Ziel jedes Gebührentatbestands sollte es nämlich insbesondere zur besseren Anwendbarkeit in den Festsetzungsverfahren (z.B. § 55 RVG, §§ 103 ff. ZPO) sein, klare, praktikable und unmissverständliche Regelungen zu treffen.

Eine in der Praxis gut anwendbare Anpassung der Nr. 1010 VV könnte deshalb bspw. wie folgt aussehen:

Zitat

"Zusatzgebühr zur Terminsgebühr in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 richten und in der Angelegenheit mehr als zwei Termine (sowohl gerichtliche einschließlich der vor einem Güterichter als auch von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumte Termine) wahrgenommen worden sind........... die Terminsgebühr erhöht sich um 0,3; bei Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag der Terminsgebühr um 30 %."

Dieser Vorschlag würde dazu führen, dass ab der Wahrnehmung des dritten gerichtlichen Termins in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit zusätzlich zur Terminsgebühr eine 0,3-Zusatzgebühr verdient wird. Für die von Teil 3 VV erfassten gerichtlichen Verfahren würde damit eine ähnliche Regelung geschaffen wie für die Terminsgebühr in Straf- und Bußgeldsachen, die sogar je wahrgenommenem Hauptverhandlungstermin anfällt.

 

Beispiel 1

Der Rechtsanwalt ist in der ersten Instanz beim LG tätig und nimmt an einem Verhandlungstermin und einem Termin zur Protokollierung eines Vergleichs teil. Der Protokollierung des Vergleichs ist eine Besprechung der Anwälte voraus gegangen, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet war.

Der Rechtsanwalt verdient ...

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