§ 115 ZPO; § 28 SGB VII

Leitsatz

  1. Im Falle der PKH/VKH sind Angehörige mit eigenem Einkommen nur dann im Rahmen der Wohnkosten zu berücksichtigen, wenn diese selbst über ausreichend Einkommen – zumindest mit einem Einkommen über der Freigrenze – verfügen.
  2. Ist dies der Fall, so sind die Wohnkosten im Verhältnis der Einkünfte anzusetzen.

OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.9.2022 – 1 WF 112/22

I. Sachverhalt

Dem Sachverhalt lag die Frage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) / Verfahrenskostenhilfe (VKH) zu Grunde. Das AG ist von einem Monatsnettoeinkommen des Antragstellers i.H.v. 2.815,34 EUR ausgegangen, von dem es Fahrtkosten i.H.v. 78,00 EUR, hälftige Wohnkosten i.H.v. 532,50 EUR, Versicherungsbeiträge i.H.v. 45,11 EUR, Kindesunterhalt für seine bei deren Mutter lebenden Töchter M. und T. i.H.v. zusammen 761,00 EUR sowie Freibeträge i.H.v. 223,00 EUR und 491,00 EUR in Abzug gebracht hat und so zu einer Ratenzahlungsanordnung i.H.v. 384,00 EUR gelangt ist. Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 4.5.2022 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 3.6.2022 sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, die von ihm gezahlten Wohn- und Wohnnebenkosten i.H.v. insgesamt monatlich 1.065,00 EUR seien vollumfänglich zu berücksichtigen, da seine Lebensgefährtin, die mit ihren vier und sieben Jahre alten Kindern mit ihm in der gemeinsam angemieteten Wohnung lebe, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage sei, sich an den Mietkosten zu beteiligen. Das OLG Braunschweig gab dem Beschwerdeführer Recht.

II. Unstreitig abzugsfähige Posten

Das dem Bedürftigen zuzurechnende Einkommen wurde antragsgemäß berücksichtigt. Anzusetzen war danach gem. § 115 Abs. 1 ZPO ein Betrag von 2.815,34 EUR. Hiervon sind unstreitig Fahrtkosten i.H.v. 78,00 EUR, Versicherungsbeiträge i.H.v. 45,11 EUR sowie Kindesunterhaltszahlungen i.H.v. insgesamt 761,00 EUR abzuziehen. Als Freibeträge für den Antragsteller sind gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b und Nr. 2a ZPO die aufgrund der PKH-Bekanntmachung 2022 seit dem 1.1.2022 geltenden Beträge zu berücksichtigen, mithin der Grundfreibetrag von 494,00 EUR sowie der Zusatzfreibetrag für Erwerbstätige i.H.v. 225,00 EUR (vgl. B. v. 17.12.2021, BGBl I, 5239).

III. Streitige Wohnkosten – Aufteilung nicht immer nach Köpfen

Grundsätzlich, so das OLG, seien bei Personen mit eigenen Einkünften, die mit im Haushalt eines Verfahrensbeteiligten leben, die Wohnkosten ungeachtet des Verhältnisses ihrer Einkünfte nach der Anzahl der Personen aufzuteilen (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 115 Rn 40; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.2.2019 – 13 WF 17/19, juris Rn 7; OLG Köln, Beschl. v. 15.5.2017 – II-10 WF 60/17, juris Rn 3). Voraussetzung sei jedoch, dass der zu Berücksichtigende auch leistungsfähig ist. Ist der Verdienst einer Person so gering, dass eine Beteiligung nach Kopfteilen unbillig erscheint (Zöller/Schultzky, a.a.O.), könne von diesem Grundsatz also abgewichen werden. Eine Beteiligung scheidet dabei regelmäßig dann vollständig aus, wenn das Einkommen einer unterhaltsberechtigten Person unterhalb des für sie zugunsten des Antragstellers gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO geltenden Freibetrags liegt (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 17.2.2003 – 14 WF 22/03, juris Rn 7).

IV. Freibetrag als Grenze

Das OLG erachtet es daher als sachgerecht, unabhängig von einer Unterhaltspflicht der Verfahrenskostenhilfe beantragenden Person grds. nur diejenigen Mitbewohner an den Wohnkosten zu beteiligten, deren Einkommen über dem für sie einschlägigen Freibetrag liegt. Die Freibeträge i.S.v. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO richten sich nach den in der Anlage zu § 28 SGB XII festgelegten, um zehn Prozent erhöhten Regelbedarfssätzen. Diese umfassen nach § 27a Abs. 2 SGB XII den notwendigen Lebensunterhalt (Existenzminimum) einer Person mit Ausnahme der gesondert in den Abschnitten zwei bis vier geregelten Bedarfe, zu denen auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zählen. Im Unterschied zu den Kindesunterhaltssätzen der Düsseldorfer Tabelle enthalten somit die Regelbedarfssätze nach SGB XII keinen Wohnkostenanteil, da der Wohnkostenbedarf im vierten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB XII gesondert geregelt ist. Dies entspricht auch der Systematik von § 115 Abs. 1 ZPO, nach dessen Nr. 3 die Kosten der Unterkunft und Heizung neben den Freibeträgen nach Nr. 1 und 2 gesondert abzugsfähig sind. Angesichts dessen ist einer um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Person im Rahmen der Prüfung ihrer Bedürftigkeit in der Regel keine Beteiligung ihrer Mitbewohner an der Deckung der Wohnkosten zuzurechnen, soweit deren Einkommen die für sie einschlägige Freibetragsgrenze nicht übersteigt.

V. Bei übersteigenden Beträgen Aufteilung nicht nach Köpfen, sondern nach dem Verhältnis der Einnahmen

Das OLG Braunschweig sieht auch bei Überschreiten der Freibeträge dann keinen vollen kopfteiligen Ansatz, sofern sich die Einkommen der Bewohner einer Mietunterkunft unterscheiden. Auch jenseits der Freibetragsgrenze könne ein erheblicher Einkommensunterschied eine Aufteilung im Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte rechtfertigen (so bei Nettoeinkünften von 925,00 EUR zu 2.569,00 EUR: OLG Köln, Beschl. v. 15.5.2017 – II-10 WF 60/17, juris Rn 4; vgl. auch OLG Saar...

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