1. Einzelrichter in LG Bonn 29 Qs 5/17

Ob für die Tätigkeit des Verteidigers im Verfahren der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach § 460 StPO eine Gebühr Nr. 4204 VV oder – bei Mandanten, die nicht auf freiem Fuß sind – die Gebühr Nr. 4205 VV entsteht, ist umstritten. Eine solche Gebühr würde gem. Vorbem. 4.2. VV nochmals gesondert für das Beschwerdeverfahren entstehen, weshalb diese Gebühr aufgrund der Auslagenentscheidung zugunsten des Angeklagten gegen die Staatskasse festzusetzen wäre.

Das LG hat mit Beschl. v. 23.3.2017 (29 Qs 5/17, RVGreport 2017, 297) das Entstehen einer Gebühr Nr. 4204 VV und damit auch eine solche nach Nr. 4205 VV, die an Nr. 4204 VV anknüpft, verneint. Der Verteidiger erhalte für seine Tätigkeit im Verfahren der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 460 StPO keine Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 2 VV ("Gebühren in der Strafvollstreckung"). Dies beruhe darauf, dass es sich bei dem Verfahren nach § 460 StPO um kein Verfahren in der Strafvollstreckung, sondern um Strafzumessung handele. In dem Verfahren nach § 460 StPO werde überhaupt erst das endgültige Straferkenntnis geschaffen, an das die Vollstreckung anknüpft. Da Strafzumessung zum Erkenntnisverfahren gehöre, habe der Einzelrichter daher entschieden, dass die Tätigkeit im Verfahren nach § 460 StPO auch vergütungsrechtlich dem Abgeltungsbereich des Erkenntnisverfahrens und daher Teil 4 Abschnitt 1 VV ("Gebühren des Verteidigers") unterfalle. Der Verteidiger könne nur die dort aufgeführten Gebühren abrechnen. Dieser Rechtsansicht hat sich nun die Kammer, auf die das Verfahren zur Entscheidung übertragen worden, auch in der Besetzung durch drei Berufsrichter angeschlossen, da die Gegenansicht nicht überzeuge.

2. Gegenansicht u.a. OLG Bamberg

Die Gegenansicht werde insbesondere vom OLG Bamberg (Beschl. v. 11.6.2019 – 1 Ws 265/19, RVGreport 2020, 63 = StRR 2/2020, 30 = JurBüro 2020, 23; so auch LG Osnabrück, Beschl. v. 2.6.2020 – 2 Qs 26/20, AGS 2020, 509 = RVGreport 2020, 346) vertreten. Dieses stütze seine Ansicht maßgeblich darauf, dass der Gesetzgeber das Verfahren der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§§ 460, 462 StPO) im 7. Buch 1. Abschnitt der StPO (§§ 449 ff. StPO) geregelt habe, welcher mit "Strafvollstreckung" überschrieben ist. Das OLG Bamberg meine, dass daher anzunehmen sei, dass der Gesetzgeber den Begriff der Strafvollstreckung i.S.d. Teils 4 Abschnitt 2 VV mit den §§ 449 ff. StPO gleichgesetzt habe. Dass der Gesetzgeber den Begriff der "Strafvollstreckung" nicht im streng strafrechtsdogmatischen Sinn, sondern als Verweis auf die §§ 449 ff. StPO verstanden habe, ergebe sich daraus, dass er in Nr. 4200 Ziff. 1 VV unter der Überschrift "Gebühren in der Strafvollstreckung" Vergütungen des Verteidigers in Verfahren regelt, die sich gerade nicht als Strafvollstreckung, sondern vielmehr als solche der Vollstreckung einer Maßregel darstellen.

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