Nach Anm. 1 zu Nr. 4100 VV entsteht die Grundgebühr im Verfahren nur einmal. Das gilt selbstverständlich auch, wenn der Rechtsanwalt zunächst als Wahlanwalt tätig ist und dann später als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Für ihn als Pflichtverteidiger entsteht dann die Grundgebühr nicht noch einmal, er kann sie aber über § 48 Abs. 6 S. 1 RVG als gesetzliche Gebühr geltend machen.[30] Das Entstehen ist jedoch ausdrücklich unabhängig davon, in welchem Verfahrensstadium die Einarbeitung erfolgt. Die Grundgebühr entsteht "in jeder Lage des Verfahrens".[31]

 

Beispiel 1

Dem Beschuldigten wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er verteidigt sich beim AG zunächst selbst. Seinen (späteren) Verteidiger Rechtsanwalt R sucht er erst auf, nachdem er vom AG verurteilt worden ist, um ihn mit seiner Verteidigung zu beauftragen. Rechtsanwalt R legt zunächst Berufung ein.

Rechtsanwalt R erhält, obwohl er erst im Berufungsverfahren erstmals mit der Sache befasst ist, eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV.

Entsprechendes gilt, wenn später ein anderer Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung der Revision gegen das landgerichtliche Urteil beauftragt wird. Auch er erhält, obwohl er erst im Revisionsverfahren beauftragt wird, eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV.[32]

 

Beispiel 2

Dem Beschuldigten wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er sucht sofort Rechtsanwalt R auf und beauftragt ihn mit seiner Verteidigung. Rechtsanwalt R führt später auch das Berufungs- und das Revisionsverfahren.

Rechtsanwalt R erhält nur einmal eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV, obwohl er für den Beschuldigten in mehreren Verfahrensabschnitten tätig geworden ist. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Rechtsanwalt für den B in verschiedenen Angelegenheiten – vorbereitendes Verfahren, gerichtliches Verfahren 1. Instanz, Berufungs- und Revisionsverfahren – tätig geworden ist und nach § 15 RVG an sich in jeder dieser Angelegenheiten die Grundgebühr entstehen könnte. Die Anm. 1 zu Nr. 4100 VV legt in Abweichung davon ausdrücklich fest, dass die Grundgebühr nur einmal entsteht.[33]

[30] OLG Frankfurt/M RVGreport 2005, 28 = NJW 2005, 377; Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., 2017, Nr. 4100, 4101 VV Rn 10; vgl. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., § 48 Abs. 6 Rn 7 ff.
[31] OLG Frankfurt/M, a.a.O.
[33] S. auch OLG Köln RVGreport 2007, 425 = AGS 2007, 451 m. abl. Anm. N. Schneider = JurBüro 2007, 484.

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