GKG § 40; RVG § 23 Abs. 1

Leitsatz

Legt der Anwalt auftragsgemäß zunächst ein unbeschränktes Rechtsmittel ein, das im Rahmen der Rechtsmittelbegründung beschränkt wird, richtet sich der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens zwar nur nach den reduzierten Anträgen; der Gegenstandswert der Verfahrensgebühr für den Anwalt des Rechtsmittelführers richtet sich dagegen nach dem vollen Wert der Beschwer.

BGH, Beschl. v. 22.7.2020 – XII ZR 29/19

1 Aus den Gründen

Die Beklagten sind vom OLG zur Räumung und Herausgabe mit einem Streitwert von 43.697,00 EUR und zur Zahlung von 137.088,00 EUR nebst Zinsen verurteilt worden. Der Senat hat die unmittelbar gegen diese Ansprüche gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und den Wert des gerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auf 180.785,00 EUR festgesetzt.

Die vom OLG für unbegründet erachteten Hilfsaufrechnungen i.H.v. 300.000,00 EUR für Investitionen und weiteren 8.593,91 EUR auf Kostenerstattung, die die Beklagten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ausdrücklich nicht weiterverfolgt haben (vgl. Senatsbeschl. v. 25.3.2020 – XII ZR 29/19, juris Rn 4 f.), sind im gerichtlichen Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unberücksichtigt geblieben. Im Rahmen der vorgerichtlichen Prüfung der Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nach seinem Vortrag allerdings auch diese Ansprüche geprüft, sodass sie insoweit den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach Maßgabe des § 45 Abs. 3 GKG um 137.088,00 EUR und weitere 8.594,00 EUR erhöhen. Folglich ist dieser Wert nach § 33 Abs. 1 RVG auf 326.467,00 EUR festzusetzen.

2 Anmerkung

Die Entscheidung entspricht der ständigen Rspr. des BGH.[1]

Wird ein Rechtsmittel auftragsgemäß zunächst uneingeschränkt eingelegt, dann aber nur in eingeschränktem Umfang begründet, richtet sich der Streitwert des Verfahrens gem. § 40 Abs. 1 GKG nach den gestellten Anträgen. Das gilt auch für den Anwalt des Rechtsmittelbeklagten.

Für den Anwalt des Rechtsmittelführers besteht dagegen hinsichtlich seiner Verfahrensgebühr die Besonderheit, dass diese sich nach dem Auftrag richtet. Hat er das Rechtsmittel auftragsgemäß zunächst uneingeschränkt eingelegt, kann eine spätere Reduzierung des Auftrags bei ihm für die Verfahrensgebühr keine Rolle mehr spielen, sondern lediglich für weitere Gebühren, wie etwa Terminsgebühr etc. maßgebend sein.

Allerdings ergibt sich weder aus dem Sachverhalt noch aus der Begründung der Entscheidung, welcher Auftrag dem Prozessbevollmächtigten denn tatsächlich erteilt worden ist, insbesondere ob ihm zunächst ein Auftrag zur uneingeschränkten Einlegung des Rechtsmittels erteilt und später beschränkt wurde. Der BGH unterstellt dies einerseits, spricht andererseits aber davon, dass der Prozessbevollmächtigte vorgerichtlich die Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde geprüft habe. In diesem Fall wäre aber gerade kein umfassender gerichtlicher Auftrag erteilt worden, sondern zunächst ein Auftrag, die Erfolgsaussicht zu prüfen. Dieser Auftrag wäre aber nach Nr. 2100 VV zu vergüten. Die Verfahrensgebühr für die Nichtzulassungsbeschwerde wäre dann nur aus dem reduzierten Wert angefallen, wobei die vorangegangene Prüfungsgebühr aus diesem reduzierten Wert anzurechnen gewesen wäre (Anm. zu Nr. 2100 VV).

In Fällen wie diesem, in dem das Rechtsmittel nur beschränkt durchgeführt wird, kommen vier Varianten in Betracht:

 

1. Variante

Dem Rechtsmittelanwalt war von Vornherein nur der Auftrag erteilt worden, die Nichtzulassungsbeschwerde in dem beschränkten Umfang einzulegen und durchzuführen.

In diesem Falle wäre wie folgt zu rechnen gewesen:

 
1. 2,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3506 VV   4.434,40 EUR
  (Wert: 180.785,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 4.454,40 EUR
3. 16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   712,70 EUR
  Gesamt   5.167,10 EUR
 

2. Variante

Dem Anwalt war der (unbedingte) Auftrag erteilt worden, zu prüfen, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg habe und gleichzeitig der (bedingte) Auftrag, die Nichtzulassungsbeschwerde eizulegen, soweit Erfolgsaussicht gegeben sei.

In diesem Falle wären zwei Angelegenheiten gegeben, nämlich ein umfassender Prüfungsauftrag nach einem Wert i.H.v. 326.467,00 EUR und ein anschließender Auftrag aus dem beschränkten Wert i.H.v. 180.785,00 EUR. Die Prüfungsgebühr wäre dann entsprechend anzurechnen gewesen.

 
I. Prüfung der Erfolgsaussicht
1. 0,75-Prüfungsgebühr, Nr. 2100 VV   1.959,75 EUR
  (Wert: 326.467,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.979,75 EUR
3. 16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   316,76 EUR
  Gesamt   2.296,51 EUR
II. Nichtzulassungsbeschwerde
1. 2,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3506 VV   4.434,40 EUR
  (Wert: 180.785,00 EUR)    
2. gem. Anm. zu Nr. 2100 VV anzurechnen,   – 1.446,00 EUR
  0,75 aus 180.785,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 3.008,40 EUR
4. 16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   481,34 EUR
  Gesamt   3.489,74 EUR
  Gesamt I. + II.   5.786,25 EUR
 

3. ...

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