Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend, allerdings nicht die Begründung.

Anträge auf Zuweisung der Ehewohnung für die Zeit der Trennung sind Ehewohnungssachen nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, da ein Anspruch nach § 1361b BGB geltend gemacht wird. Das Gesetz sieht insoweit einen Regelwert von 3.000,00 EUR vor. Auf den Verkehrswert der Wohnung oder der angemessenen Miete kommt es dabei nicht an. Allerdings kann der Regelwert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls bei Unbilligkeit herauf- oder herabgesetzt werden. So nimmt das OLG Köln[1] eine Unbilligkeit an, wenn es sich um ein größeres Anwesen handelt, das sich deutlich vom Durchschnittsfall unterscheidet (hier: Grundstücksgröße: 976 m², Wohnfläche: ca. 250 m²). Ist eine Unbilligkeit anzunehmen, dann kann der Regelwert prozentual herauf- oder herabgesetzt werden. Auch in diesem Fall ist es nicht zulässig, sich am Verkehrs- oder Mietwert der Wohnung zu orientieren.

Das FamG ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass sowohl der Antrag als auch der Widerantrag jeweils mit 3.000,00 EUR zu bewerten sei, dass aber eine Addition der beiden Werte gem. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG jedoch nicht in Betracht komme, da beiden Anträgen derselbe Gegenstand zugrunde liege.

Dies ist m.E. jedoch insoweit unzutreffend, als hier erst gar nicht von verschiedenen Werten für die wechselseitigen Anträge auszugehen ist. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 FamGKG sieht eine pauschale Bewertung für Ehewohnungssachen vor und stellt nicht auf den Antrag bzw. die Anträge ab. Es verhält sich hier ebenso wie bei Kindschaftssachen oder beim Versorgungsausgleich. Auch dort wird die Sache als solche unabhängig von den Anträgen der Beteiligten bewertet. Es liegt auch dann nur eine zu bewertende Kindschaftssache vor, wenn wechselseitige Anträge gestellt werden.[2] Ebenso werden beim Versorgungsausgleich 10 % des dreifachen Nettoeinkommens je Anrecht berechnet, unabhängig davon, welche Anträge gestellt werden.

So verhält es sich auch hier. Gegenstand des Verfahrens war – ungeachtet der widerstreitenden Anträge – nur eine Ehewohnungssache nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Damit lag aber von vornherein nur ein Verfahrensgegenstand vor, so dass damit auch nur einmal der Wert anzusetzen war. Hier kam es im Ergebnis darauf nicht an. Wenn man verschiedene Werte für die wechselseitigen Anträge annimmt, dann muss man jedenfalls – wie es das FamG Mayen getan hat – ein Additionsverbot nach § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG annehmen.

Gegen diese Berechnungsmethode spricht allerdings, dass damit eine Anpassung nach § 48 Abs. 3 FamGKG ausgehebelt wird. Während man bei einer Gesamtbewertung der Ehewohnungssache als solche die Vielzahl der wechselseitig gestellten Anträge nach § 48 Ab s. 3 FamGKG erhöhend berücksichtigen kann, ist dies nicht möglich, wenn man Antrag und Widerantrag gesondert bewertet, weil dann nach § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG nur der höhere Wert gilt. Eine Anpassung nach § 48 Abs. 3 FamGKG wegen des zusätzlichen Aufwands von Antrag und Widerantrag ist nach dieser Berechnungsmethode nämlich nur möglich, wenn schon ein einzelner Antrag eine Anhebung rechtfertigt.

Ebenso ist zu rechnen, wenn einerseits die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit der Trennung beantragt wird und andererseits die Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Auch hier sind die Werte der einzelnen Anträge nicht zu addieren, da es um dieselbe Ehewohnungssache geht.

 

Beispiel

Der Ehemann verlangt die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit der Trennung. Die Ehefrau beantragt, den Antrag abzuweisen, und beantragt hilfsweise die Zahlung einer Nutzungsentschädigung.

Gibt das Gericht dem Antrag des Ehemannes statt und muss es sich dann mit dem "Hilfsantrag" der Ehefrau befassen, bleibt es dennoch beim einfachen Regelwert.

Anders verhält es sich, wenn verschiedene Ehewohnungssachen zugrunde liegen.

 

Beispiel

Der Ehemann verlangt die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung und gleichzeitig die Zahlung einer Nutzungsentschädigung dafür, dass die Ehefrau während der Trennung die Wohnung genutzt hat.

Jetzt liegen zwei verschieden Ehewohnungssachen vor, nämlich einmal die Ehewohnungssache für die Zeit der Trennung (§ 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) und zum anderen die Ehewohnungssache für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung (§ 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). In diesem Fall sind die Werte des § 48 Abs. 2, 1. Alt und 2. Alt. FamGKG zu addieren (3.000,00 EUR + 4.000,00 EUR = 7.000,00 EUR).

Norbert Schneider

AGS 10/2017, S. 474 - 475

[1] AGS 2014, 130 = ZMR 2014, 807 = NJW-Spezial 2014, 60 = NZFam 2014, 41 = RVGreport 2014, 122 = FamRB 2014, 220 = RVGprof.
[2] OLG Koblenz AGS 2017, 130 = FamRZ 2017, 55; siehe auch OLG Bamberg (S. 477 in diesem Heft).

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