Zwar ist die Beschwerdeführerin dem ehemals Angeklagten nicht gem. § 404 Abs. 5 StPO unter Gewährung von PKH für das Adhäsionsverfahren beigeordnet worden. Ihre diesbezügliche Tätigkeit war jedoch entgegen der vom LG und von der Vertreterin der Staatskasse vertretenen Auffassung von ihrer Beiordnung als Pflichtverteidigerin mitumfasst.

Es ist in Rspr. und Schrifttum umstritten, ob die Verteidigerbestellung nach §§ 140 ff. StPO ohne weiteres das Adhäsionsverfahren umfasst (bejahend OLG Dresden, Beschl. v. 13.6.2007 - 1 Ws 155/06 [= AGS 2007, 404]; OLG Hamm Rpfleger 2001, 513 [= AGS 2002, 110]; OLG Köln StraFo 2005, 394 [= AGS 2005, 436]; OLG Schleswig NStZ 1998, 101 [= AGS 1998, 6]; Laufhütte, in: KK-StPO, 6. Aufl., § 140 Rn 4; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 140 Rn 5; Wohlers, in: SK-StPO, § 141 Rn 20; Julius, in: HK-StPO, 4. Aufl., § 141 Rn 15; Lüderssen/Jahn, in: LR-StPO, 26. Aufl., § 141 Rn 28; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Nr. 4143 VV Rn 12; Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV 4143, 4144 Rn 5; vgl. auch OLG Hamburg, 1. Strafsenat, in NStZ-RR 2006, 347, 349 für den Fall, dass ein Antrag nach § 404 Abs. 5 StPO auf gesonderte Beiordnung nicht gestellt wird oder wegen Fehlens der besonderen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gestellt werden kann; demgegenüber verneinend OLG Bamberg in NStZ-RR 2009, 114; OLG Brandenburg OLGSt StPO § 140 Nr. 24; OLG Celle NStZ-RR 2008, 190 [= AGS 2008, 229]; OLG Hamburg, 3. Strafsenat, NStZ 2010, 652; OLG Hamburg, 2. Strafsenat, OLGSt StPO § 141 Nr. 8; OLG München StV 2004, 38; OLG Jena Rpfleger 2008, 529; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.4.2010 - 1 Ws 178/10 [= AGS 2010, 427]; OLG Saarbrücken StV 2000, 433 [= AGS 2000, 203]; OLG Stuttgart NStZ-RR 2009, 264 [= AGS 2009, 387]; OLG Zweibrücken JurBüro 2006, 643; KG RVGreport 2011, 142 unter Aufgabe der früheren abweichenden Rspr.; Hartmann, a.a.O., 4143, 4144 VV Rn 1, 7; Schmidt/Baldus, Gebühren und Kostenerstattung in Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl., Rn 258). Der BGH hat die Frage der Erstreckung der Verteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren ausdrücklich offen gelassen, dabei jedoch zum Ausdruck gebracht, dass die z.T. auf einem Vergleich mit § 397a StPO beruhende verneinende Auffassung jedenfalls mit dieser Begründung nicht greift (NJW 2001, 2486, 2487).

Der Senat hat sich bereits mit Beschl. v. 4.7.2008 – I Ws 224 und 225/08 u. v. 8.6.2009 – I Ws 118/09 – jeweils in der Besetzung mit drei Richtern der erstgenannten (bejahenden) Auffassung angeschlossen. Daran wird aus den dort genannten Gründen festgehalten.

Die Gegenmeinung übersieht nach Ansicht des Senats, dass in § 404 Abs. 5 StPO nur geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen einem Angeklagten für seine "Verteidigung" gegen einen Adhäsionsantrag PKH zu gewähren ist und dass dies bejahendenfalls regelmäßig unter Beiordnung eines gegebenenfalls schon vorhandenen Verteidigers erfolgen soll (so auch Deutscher, jurisPR-StrafR 15/2010 Anm. 1). Damit wird jedoch allein die in § 404 Abs. 5 S. 2 StPO in Bezug genommene Regelung des § 121 Abs. 2 ZPO dergestalt modifiziert, dass im Falle der Gewährung von PKH für einen bereits verteidigten Angeklagten die zusätzliche Beiordnung eines gesonderten Rechtsanwalts (nur) für das Adhäsionsverfahren nach Möglichkeit vermieden werden soll. Indes ist damit nichts darüber gesagt, wie es sich mit der Erstreckung der Pflichtverteidigerbeiordnung auf das Adhäsionsverfahren in solchen Fällen verhält, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH nicht vorliegen, weil der Angeklagte über ausreichende finanzielle Mittel verfügt. So war es aber offenbar hier, denn die Verteidigerin hat den diesbezüglichen PKH-Antrag zurückgenommen.

Zu beachten ist ferner die Regelung in § 140 Abs. 2 S. 1 StPO, wonach "namentlich" dann ein sonstiger Fall notwendiger Verteidigung vorliegt, wenn dem Verletzten nach § 397a und § 406g Abs. 3 und 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, also gerade in solchen Konstellationen, in denen typischerweise auch mit der Geltendmachung von Schadensersatz- und/oder Schmerzensgeldansprüchen des Geschädigten im Wege des Adhäsionsverfahrens zu rechnen ist, dessen verstärkte Anwendung zudem immer wieder propagiert wird und dessen Durchführung durch das 1. Opferrechtsreformgesetz nochmals erleichtert worden ist. Gerade das in § 140 Abs. 2 S. 1, letzte Alt. StPO zum Ausdruck kommende Gebot der "Waffengleichheit" streitet für die Auffassung des Senats, dass das Pflichtverteidigermandat auch ohne gesonderte Beiordnung die "Verteidigung" gegen im Adhäsionsverfahren geltend gemachte Ansprüche umfasst, zumal ein Angeklagter gerade mit der Prüfung und gegebenenfalls Abwehr zivilrechtlicher Haftungsansprüche regelmäßig eher überfordert sein dürfte als mit seiner Verteidigung gegen den Strafvorwurf (vgl. dazu Rieß, Dahs-FS S. 433; Loos GA 2006, 195; Krey/Wilhelmi, Otto-FS S. 933, 953; Volkart, JR 2005, 185; Feigen, Otto-FS S. 898). Es erscheint dem Senat widersinnig, z...

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