In der Sache erweist sich das Rechtsmittel insoweit als begründet als der Streitwert der vorliegenden Klage auf Herausgabe von Fotokopien der gesamten Krankenunterlagen nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls mit 31.831,15 EUR, also einem Fünftel des Streitwerts der Arzthaftungsklage, die dadurch vorbereitet werden soll, zu bemessen ist.

Die weitergehende Beschwerde der Klägervertreter ist unbegründet und wird zurückgewiesen.

Die streitgegenständliche Klage auf Herausgabe von Kopien der Behandlungsunterlagen dient der Vorbereitung eines Arzthaftungsprozesses bzw. der Prüfung der Erfolgsaussichten einer solchen Klage. In welchem Umfang der Beklagte die streitgegenständliche Behandlung dokumentiert hat, ist nicht bekannt. Sowohl das Vorhandensein, als auch das Fehlen entsprechender Unterlagen ist für die Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Klage wegen der behaupteten fehlerhaften Behandlung typischerweise von hoher Bedeutung. Die ärztliche Dokumentation hat für den Inhalt und den Nachweis der ärztlichen Aufklärung, und damit der Wirksamkeit der Einwilligung der Klägerin in die Behandlung genauso große Bedeutung wie für die Prüfung, ob die Behandlung entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wurde. Aus ihr ergeben sich häufig Streit entscheidende Weichenstellungen im Arzthaftungsprozess, etwa bei der Beweislast. Der ärztlichen Dokumentation kommt deshalb eine hohe Bedeutung für den Patienten zu, der sich fehlerhaft behandelt fühlt.

Auf der anderen Seite muss bei der Bewertung einer Klage auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen aber auch berücksichtigt werden, dass deren Besitz und Inhalt nicht unmittelbar einen Anspruch verkörpert, wie dies bei Inhaber- und weiteren Wertpapieren der Fall ist, sondern "nur" ein – wenn auch wichtiges – Beweismittel für die Prüfung und evtl. Durchsetzung eines Anspruchs darstellt. Ob und wenn ja in welchem Umfang die angekündigten Ansprüche letztlich tatsächlich erhoben werden, ist noch nicht sicher. Die unterlassene oder lückenhafte Dokumentation einer aus medizinischer Sicht zu dokumentierenden Maßnahme führt zu der Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Sie bildet aber keine eigenständige Anspruchsgrundlage (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., B, Rn 206 und 247).

Bei der Gesamtabwägung dieser Gesichtspunkte kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Patienten an der Herausgabe von Kopien der gesamten Behandlungsunterlagen zur Prüfung und Durchsetzung materieller und immaterieller Schadensersatzansprüche gegen den Behandler bei Fehlen besonderer Umstände regelmäßig mit einem Fünftel des Wertes einer bereits konkret vorgetragenen, beabsichtigten Hauptsacheklage zu bemessen ist.

Dementsprechend war der Streitwertbeschluss des LG auf die Beschwerde der Klägervertreter abzuändern

Der vom LG zur Begründung seiner Auffassung zitierte Beschl. des OLG München v. 16.11.2006–1 W 2713/06, billigt eine erstinstanzliche Streitwertfestsetzung für eine Klage auf Herausgabe von Fotokopien der Behandlungsunterlagen und die eidesstattliche Versicherung des Arztes, dass die kopierten Behandlungsunterlagen vollständig sind, auf 1/10 des Streitwerts des gegen den Behandler gerichteten Hauptsacheverfahrens. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass der festgesetzte Streitwert jeweils zur Hälfte auf den Auskunftsanspruch und das Verlangen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entfiel. Dem Herausgabeverlangen allein wurde also offenbar nur ein Streitwert in Höhe von 5 % des Hauptsacheverfahrens zugebilligt. Eine nähere Begründung der Wertfestsetzung enthält die Entscheidung des OLG München, die auf eine Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung ergangen ist und sich mit der Problematik des Streitwerts nur am Rande befasst, nicht.

Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen.

Er hält sowohl die Bewertung des Interesses der Klägerin an der Herausgabe der Krankenunterlagen mit 5 % der beabsichtigten Hauptsacheklage – wie offenbar das OLG München in der zitierten Entscheidung –, als auch mit 10 % – wie das LG Nürnberg-Fürth in dem angefochtenen Beschluss – für zu niedrig.

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