1. Grundgebühr

Die Grundgebühr Nr. 4100 VV ist bei den sog. Allgemeinen Gebühren in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 VV eingestellt.[34] Das zeigt deutlich, dass die Grundgebühr in jeder Lage des Verfahrens entstehen kann. Es erhält also auch der Rechtsanwalt, der erst im Berufungsverfahren das Mandat übernimmt, die Grundgebühr.[35] Für den Rechtsanwalt, der den Angeklagten bereits im erstinstanzlichen Verfahren verteidigt hat, entsteht die Grundgebühr im Berufungsverfahren aber nicht noch einmal. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV entsteht nach der Anm. 1 "nur einmal". Die Grundgebühr Nr. 4100 VV entsteht immer neben der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV.[36]

Für den Abgeltungsbereich der Grundgebühr gelten im Berufungsverfahren die allgemeinen Regeln.[37] Sie entsteht also für die erstmalige Einarbeitung. Bei der Bemessung der Wahlanwaltsgebühr ist über § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ggf. zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt sich erst im Berufungsverfahren eingearbeitet hat, er sich also in eine i.d.R. umfangreicheren Verfahrensstoff einarbeiten musste.

[34] Zur Grundgebühr eingehend Burhoff, AGS 2021, 443.
[35] Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn 11 m. Beispiel; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4100 Rn 6; AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., VV 4100–4101 Rn 8; OLG Frankfurt NJW 2005, 377 = StV 2005, 76 = RVGreport 2005, 28.
[36] Allgemein dazu OLG Saarbrücken RVGreport 2015, 64 = StRR 2015, 117; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.6.2023 – 1 Ws 105/23, AGS 2023, 310; LG Amberg RVGreport 2020, 141 = JurBüro 2020, 358; LG Chemnitz AGS 2015, 379 = RVGreport 2015, 265 = StRR 2015, 319; LG Duisburg AGS 2014, 330 = zfs 2014, 468 = RVGreport 2014, 427; LG Frankenthal (Pfalz), Beschl. v. 27.4.2023 – 1 Qs 76/23, AGS 2023, 219; LG Oldenburg AGS 2014, 552 = RVGreport 2014, 470 = zfs 2014, 648; LG Saarbrücken AGS 2015, 182 = RVGreport 2015, 221; LG Wuppertal RVGreport 2020, 221 = JurBüro 2020, 357; a.A. – ohne nähere Begründung – OLG Celle, Beschl. v. 26.1.2022 – 2 Ws 19/22, AGS 2022, 206; OLG Nürnberg RVGreport 2016, 105 = StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29.
[37] Dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn 14 ff. und Burhoff, AGS 2023, 443.

2. Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 VV

Nimmt der Rechtsanwalt im Berufungsverfahren noch an einem der in der Nr. 4102 VV genannten (Vernehmungs-)Termine teil, entsteht dafür eine Gebühr nach Nr. 4102 VV.[38]

[38] Wegen der Einzelh. zu diesen Terminen vgl. Burhoff, AGS 2022, 241; s. auch die Kommentierung der Nr. 4102 VV bei Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., oder bei Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.

3. Zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV

In der Nr. 4141 VV ist eine Zusätzliche Gebühr für den Rechtsanwalt vorgesehen, der daran mitwirkt, dass die Hauptverhandlung entbehrlich wird.[39] Die Anm. Abs. 1 zu Nr. 4141 VV sieht drei Fälle vor, in denen die Zusätzliche Gebühr entstehen kann. Davon haben im Berufungsverfahren die Nr. 1 und aus der Nr. 3 die Rücknahme der Berufung praktische Bedeutung.

[39] Allgemein zur Nr. 4141 VV Burhoff, RVGreport 2005, 248; wegen w. Nachw. s. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4141 VV vor Rn 1.

a) Anwaltliche Mitwirkung

Erforderlich für das Entstehen der Zusätzlichen Gebühr Nr. 4141 VV ist eine anwaltliche Mitwirkung. Die damit zusammenhängenden, in Rspr. und Lit. z.T. umstrittenen, Fragen können hier nicht alle dargestellt werden. Wegen der Einzelh. wird daher verwiesen auf die Ausführungen in der Kommentarliteratur[40] Hingewiesen werden soll jedoch auf folgende Grundsätze:

Der Umfang der anwaltlichen Mitwirkung ist unerheblich. Entscheidend ist, dass überhaupt (irgend-)ein Beitrag zur Vermeidung der Hauptverhandlung ersichtlich ist.[41] Auch der Rat des Verteidigers, sich zu den Tatvorwürfen nicht zu äußern, führt zur Nr. 4141 VV.[42]
Der Beitrag des Rechtsanwalts muss nach h.M. nicht (mit-)ursächlich gewesen sein.[43]
Die Mitwirkung des Rechtsanwalts muss sich nicht unbedingt aus den Akten ergeben. Es reicht der Rat zur und die Beratung über eine Berufungsrücknahme, die dazu führt, dass der Mandant selbst die Berufung zurücknimmt, aus.[44]
Ausreichend ist es schließlich auch, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts aus einem früheren Verfahrensabschnitt fortwirkt.[45] Wird also das Verfahren noch im Berufungsverfahren aufgrund einer gegenüber dem AG abgegebenen Stellungnahme eingestellt, z.B. nach § 154 StPO, dann hat der Rechtsanwalt die Zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV verdient, auch wenn er seine Stellungnahme im Berufungsverfahren nicht noch einmal wiederholt hat.
[40] Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4141 VV Rn 12 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4141 Rn 4 ff.; AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., VV 4141 Rn 12 ff.
[41] Vgl. u.a. BGH RVGreport 2008, 431 m. zust. Anm. Burhoff, StRR 2009, 77; KG StRR 2011, 438 m. Anm. Burhoff, RVGreport 2012, 110; OLG Stuttgart AGS 2010, 292; LG Hamburg AGS 2008, 59; LG Köln StraFo 2007, 305; LG Leipzig, Beschl. v. 19.6.2020 – 2 Qs 8/20 jug, StraFo 2020, 395; LG Oldenburg RVGreport 2013, 320 [für Nr. 5115 VV]; LG Stralsund AGS 2005, 442 m. Anm. Burhoff, RVGreport 2005, 272; LG Trier StraFo 2007, 306; LG Verden, Beschl. v. 29.10.2020 – 4 KLs 461...

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