Von Rechtsanwältin Julia von Seltmann. 1. Aufl., 2021. Verlag C.H.Beck, München. XXII, 1.120 S. 99.00 EUR

Seit vielen Jahren ist der Beck´sche Online-Kommentar zum RVG bekannt. Mit Inkrafttreten des KostRÄG 2021 hat der Verlag erstmals eine Druckausgabe ausgegeben, die auf der 51. Edition des Online-Kommentars beruht. Selbstverständlich sind hierbei alle durch das KostRÄG 2021 veranlassten Änderungen berücksichtigt.

Die Neuregelung der Einigungsgebühr in Nr. 1000 VV wird von Sefrin sachgerecht kommentiert. Interessant sind die Ausführungen zum Anfall der Einigungsgebühr in Strafsachen für einen "Deal" im Strafprozess unter Nr. 1000 VV Rn 60 ff. Auch die Besonderheiten bei der Kostenerstattung, Kostenfestsetzung, Prozesskostenhilfe und der Rechtsschutzversicherung werden unter Nr. 1000 VV Rn 69 ff. sachgerecht erörtert.

Die Ausführungen von von Seltmann zum Vergütungsfestsetzungsverfahren in § 11 RVG sind etwas knapp gehalten. So vermisse ich bei der Aufzählung der Einwendungen unter § 11 Rn 56 ff. den Beschluss des BGH (RVGreport 2020, 290 [Hansens]), wonach die bestrittene Ursächlichkeit der Mitwirkung des Rechtsanwalts am Einigungsvertrag ein außergebührenrechtlicher Einwand ist. Der – richtige – Hinweis der Bearbeiterin unter § 11 Rn 83, § 11 Abs. 2 S. 6 RVG schließe eine Kostenerstattung aus, könnte noch um die Entscheidung des KG AGS 2012, 45 = zfs 2011, 346 m. Anm. Hansens = RVGreport 2011, 183 [Hansens] ergänzt werden, wonach eine gleichwohl ergangene gesetzwidrige Kostenentscheidung für ein etwaiges Kostenfestsetzungsverfahren keine Bindungswirkung entfaltet. Praxisgerecht sind wiederum die Ausführungen von von Seltmann zu den Rechtsbehelfen im Vergütungsfestsetzungsverfahren unter § 11 Rn 85 ff.

Nach Nr. 3101 VV bzw. nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3201 VV entsteht die volle Verfahrensgebühr, wenn der Rechtsanwalt einen Schriftsatz eingereicht hat. Hier vermisse ich einen Hinweis auf die für die Praxis sehr bedeutsame Entscheidung des BGH AGS 2018, 251 = zfs 2018, 344 m. Anm. Hansens = RVGreport 2018, 179 [Hansens], wonach ein Schriftsatz bereits dann eingereicht ist, wenn der Rechtsanwalt den Schriftsatz so auf den Weg gebracht hat, dass ein Zugang ausschließlich von der Tätigkeit Dritter abhängt. Des Eingangs bei Gericht bedarf es für den Anfall der vollen Verfahrensgebühr somit nicht.

Zu dem immer noch bestehenden Streit, ob ein Zeugenbeistand eine Vergütung für Einzeltätigkeiten erhält oder wie ein Wahlanwalt vergütet wird, hat Knaudt unter Vorbem. 4 Rn 11.3 ff. zu den verschiedensten Fallgestaltungen umfassend Rspr. nachgewiesen. Dabei fällt – wie leider auch bei vielen anderen Werken des Beck-Verlages – auf, dass die Rspr. häufig nur mit der Fundstelle der verlagseigenen Datenbank "BeckRS" zitiert wird. Bei der Online-Version des Kommentars mag dies gerechtfertigt sein, weil man dann die Entscheidung schnell auffindet. Für die Druckfassung sind die Zitate nichts wert, weil die Entscheidungen mit Hilfe der weit verbreiteten Datenbank "juris" nicht aufgefunden werden könne. Immerhin zitiert Knaudt – anders als viele andere Autoren – häufiger zwei Nachweise, mit deren Hilfe die Entscheidung in der Datenbank "juris" gefunden werden kann.

Praxisgerecht sind auch die Ausführungen von Knaudt unter Nr. 4135 VV Rn 10 ff. zum Beginn der Hauptverhandlung und zur Berücksichtigung von Pausen, was für die Berechnung der von der Dauer der Hauptverhandlung abhängigen zusätzlichen Gebühr von praktischer Bedeutung ist. Bei den Erläuterungen von Sommerfeldt zu Geschäftsreisen mit der Bahn vermisse ich die grundlegende Entscheidung des BVerwG RVGreport 2019, 388 = JurBüro 2019, 534, wonach der Reisende nicht auf die Inanspruchnahme von Sparangeboten verwiesen ist. Die dort für einen Behördenvertreter getroffene Entscheidung ist auch auf die Geschäftsreise eines Rechtsanwalts übertragbar.

Der RVG-Kommentar von von Seltmann ist eine Bereicherung für die Praxis. Der ersten Auflage sollten noch weitere Auflagen in der Druckversion folgen.

Autor: Heinz Hansens

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 9/2022, S. III

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