§§ 63, 66 Abs. 3 S. 3, 68 Abs. 1 S. 5 GKG; § 32 Abs. 2 S. 1 RVG

Leitsatz

  1. Die Abänderung einer vom Oberlandesgericht erfolgten Streitwertfestsetzung aufgrund einer Gegenvorstellung kommt nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Erledigung des Verfahrens in Betracht.
  2. Erledigt sich der Rechtsstreit durch Prozessvergleich im schriftlichen Verfahren, kommt der Vergleich bereits mit der letzten Annahmeerklärung der Partei gegenüber dem Gericht zustande. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die 6-Monats-Frist zu laufen. Demgegenüber kommt es für den Lauf dieser Frist nicht auf die Bekanntgabe des gerichtlichen Beschlusses an, in dem das Zustandekommen des Vergleichs festgestellt wird.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.7.2022 – 6 U 332/21

I. Sachverhalt

Im Laufe des vor dem OLG Stuttgart anhängigen Berufungsverfahren unterbreiteten die Beklagten dem Kläger mit Schriftsatz vom 11.10.2021 einen Vergleichsvorschlag. Die Erklärung des Klägervertreters, mit der der Kläger diesem Vergleichsvorschlag zugestimmt hat, ist am 14.10.2021 beim OLG Stuttgart eingegangen. Hieraufhin stellte das OLG Stuttgart gem. § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss, dessen Datum nicht mitgeteilt wurde, fest. Unter dem 15.10.2021 setzte das OLG Stuttgart den Streitwert fest. Hiergegen erhoben die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.4.2022 Beschwerde. Das OLG Stuttgart hat die Beschwerde als Gegenvorstellung ausgelegt und keine Veranlassung gesehen, seine Streitwertfestsetzung abzuändern.

II. Statthaftigkeit der Beschwerde

Gem. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwertes beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen. Von diesem Recht haben hier die Prozessbevollmächtigten des Klägers Gebrauch gemacht, indem sie gegen die Streitwertfestsetzung des OLG Stuttgart Beschwerde eingelegt haben.

Diese Beschwerde war jedoch nicht statthaft. Gem. § 66 Abs. 1 S. 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG findet nämlich eine Beschwerde an einen Obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt. Beschwerdegericht wäre nämlich gem. § 66 Abs. 3 S. 2 GKG das nächsthöhere Gericht, hier der BGH gewesen.

III. Auslegung als Gegenvorstellung

Das OLG Stuttgart hat die nicht statthafte Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu deren Gunsten als Gegenvorstellung ausgelegt.

1. 6-Monats-Frist

Aufgrund einer Gegenvorstellung kommt eine Abänderung des Streitwertes nach den Ausführungen des OLG jedoch nur dann in Betracht, soweit der Streitwert gem. § 63 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 GKG noch geändert werden kann (BGH AGS 2018, 20). Diese Vorschrift regelt die Voraussetzungen für den Fall, dass das Gericht seine Festsetzung von Amts wegen ändern möchte. Eine solche Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

2. Beginn der 6-Monats-Frist bei Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO

Diese 6-Monats-Frist war hier nach Auffassung des OLG Stuttgart bereits verstrichen. Wenn der Rechtsstreit nämlich mit einem Prozessvergleich im schriftlichen Verfahren gem. § 278 Abs. 6 ZPO beendet werde, beginne die Frist mit der letzten Annahmeerklärung der Partei gegenüber dem Gericht. Auf die Bekanntgabe des gerichtlichen Beschlusses, mit dem das Zustandekommen des Vergleichs festgestellt werde, komme es hingegen nicht an. Dies hat das OLG Stuttgart damit begründet, der Vergleich komme bereits durch die übereinstimmenden Prozesserklärungen der Parteien zustande (s. NK-GK/N. Schneider, 3. Aufl., 2021, § 63 GKG Rn 92; N. Schneider, NJW 2017, 3764). Demgegenüber sei der Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO nur deklaratorischer Natur (OLG Hamm NJW 2011, 1373; LAG Düsseldorf ZTR 2015, 162; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 278 Rn 35).

Da hier die Erklärung eines der Prozessbevollmächtigten des Klägers, der Vergleichsvorschlag der Beklagten werde angenommen, am 14.10.2021 bei Gericht eingegangen war, habe mit diesem Zeitpunkt die 6-Monats-Frist begonnen. Mit Eingang der als Gegenvorstellung ausgelegten Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.4.2022 war diese 6-Monats-Frist bereits verstrichen.

IV. Bedeutung für die Praxis

1. Streitwertbeschwerde und Gegenvorstellung

So manchem Rechtsanwalt sind die Voraussetzungen, unter denen eine Streitwertbeschwerde eingelegt werden kann, nicht geläufig. Dies zeigt auch das Verhalten der Prozessbevollmächtigten des Klägers hier, haben sie doch gegen die Streitwertfestsetzung des OLG Stuttgart Beschwerde eingelegt, obwohl eine solche an das übergeordnete Gericht gerichtete Beschwerde nach § 68 Abs. 1 S. 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG nicht statthaft ist. Allerdings sind die Beteiligten durch diese Regelung nicht völlig rechtlos gestellt. Vielmehr ist unter bestimmten Voraussetzungen gegen einen Streitwertfestsetzungsbeschluss des OLG, ebenso übrigens wie gegen einen solchen Beschluss eines der Obersten Bundesgerichte, die Gegenvorstellung gegeben. Diese muss allerdings innerhalb der entsprechend geltenden 6-Monats-Frist des § 63 Abs....

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