1. Forderungsübergang auf die Staatskasse

Jetzt sind auch die Bayern auf den allerneuesten Stand der Rspr. Soweit ersichtlich hat kein anderes OLG zur Vorschrift des § 59 RVG die Auffassung vertreten, gegen einen bedürftigen erstattungspflichtigen Gegner könne die Staatskasse den Forderungsübergang nicht geltend machen. Dem Familienrichter des AG Kaufbeuren ist es zu danken, dass er sich nicht an die bisherige ständige Rspr. "seines" OLG gehalten hat und sich der ganz herrschenden Auffassung der übrigen Gerichte angeschlossen hat.

Es wäre auch in der Tat nicht einzusehen, warum der Rechtsanwalt der obsiegenden Partei sein Beitreibungsrecht gem. § 126 ZPO gegen den erstattungspflichtigen Gegner auch dann geltend machen kann, wenn diesem – auch ratenfreie – PKH/VKH bewilligt worden ist. § 123 ZPO ordnet dies nämlich ausdrücklich an. Warum dann – wovon das OLG München bisher stets ausgegangen war – für den auf die Staatskasse gem. § 59 RVG übergegangenen Anspruch des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei etwas anderes gelten sollte, ist nicht einsichtig. I.Ü. hätte der Antragsteller die (Hälfte der) Anwaltskosten der Antragsgegnerin aufgrund der Kostenentscheidung des FamG zu erstatten gehabt, wenn die der Antragsgegnerin im Wege der VKH beigeordnete Rechtsanwältin auf die Geltendmachung ihres Vergütungsanspruchs gem. § 48 Abs. 1 RVG gegen die Staatskasse verzichtet hätte und gem. § 126 Abs. 1 ZPO den Kostenerstattungsanspruch im eigenen Namen i.H.d. Wahlanwaltsgebühren, die hier die gleiche Höhe haben wie die VKH-Anwaltsgebühren, gegen den Antragsteller geltend gemacht hätte. In diesem Falle würde § 123 ZPO eindeutig eingreifen, sodass die Rechtsanwältin der Antragsgegnerin ungeachtet der dem Antragsteller ratenfrei bewilligten VKH die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller betreiben könnte.

Die bisherige Rspr. des OLG München hatte die seltsame und einem normalen Menschen nicht zu vermittelnde Folge, dass der unterlegene Antragsteller der Antragsgegnerin deren außergerichtliche Kosten erstatten müsste, wenn diese oder ihre beigeordnete Rechtsanwältin den Kostenerstattungsanspruch selbst verfolgten, eine Kostenerstattung hingegen dann ausgeschlossen wäre, wenn die Staatskasse denselben Anspruch nach dem Forderungsübergang gem. § 59 RVG gegen den Antragsteller geltend machen würde. Glücklicher Weise ist diese alte Rspr. des OLG München Geschichte.

2. Überprüfung des übergegangenen Anspruchs

I.Ü. ist die Entscheidung des OLG München ein guter Beleg dafür, dass an sich der Kostenbeamte, der den auf die Staatskasse gem. § 59 RVG übergegangenen Erstattungsanspruch in die Gerichtskostenrechnung einstellt, diesen Erstattungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach überprüfen muss. So hätte hier der Kostenbeamte auch prüfen müssen, ob tatsächlich der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin die dieser zuvor vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 55 Abs. 1 RVG festgesetzte Anspruch auf die Terminsgebühr überhaupt zusteht. Nach meinen Erfahrungen aus der Praxis unterbleibt diese Prüfung häufig zu Unrecht. Vielmehr wird einfach der dem beigeordneten Rechtsanwalt des Gegners aus der Staatskasse angewiesene Betrag ohne nähere Prüfung in den Gerichtskostenansatz übernommen. Dies kann dann im Einzelfall – wie auch hier – dazu führen, dass gegen den (teilweise) erstattungspflichtigen Gegner zu hohe Anwaltskosten geltend gemacht werden.

Im Fall des OLG München wird sicherlich der Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse gegen die Festsetzung der VKH-Anwaltsvergütung zugunsten der Rechtsanwältin S Erinnerung gem. § 56 Abs. 1 RVG einlegen und die Festsetzung der Terminsgebühr unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG München rügen. Damit kann nach erfolgloser Durchführung des Erinnerungsverfahrens das OLG München als Beschwerdegericht gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 2 RVG erneut über die Terminsgebühr entscheiden, wenn die sonstigen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Man kann wohl davon ausgehen, dass seine Entscheidung über die Beschwerde im Verfahren auf Festsetzung der VKH-Anwaltsvergütung hinsichtlich der Terminsgebühr nicht anders lauten wird als seine hier erörterte Entscheidung über den Forderungsübergang auf die Staatskasse.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 9/2022, S. 408 - 411

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