Das LG hat das Entstehen der vom Verteidiger geltend gemachten zusätzlichen Gebühr Nr. 4142 VV bejaht. Das Urteil des AG sei am 27.10.2020 ergangen. Bezogen auf die in Rede stehende Frage, ob in dem Verfahren eine Einziehungsentscheidung hätte getroffen werden können, seien daher gem. Art. 316h S. 1 EGStGB die §§ 73 ff. StGB i.d.F. des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl I, 872) anzuwenden. Daher könne auf den in dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss angeführten Beschluss des OLG Köln vom 10.2.2011 (2 Ws 85/11) nicht mehr zurückgegriffen werden, denn der sei rechtlich überholt.

Im zeitlichen Anwendungsbereich der §§ 73 ff. StGB a.F. habe es der h.M. entsprochen, dass es sich für den Anfall der Nr. 4142 VV um eine Maßnahme handeln musste, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entzieht und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommt, weshalb vermögenssichernde Maßnahmen im Rahmen einer Rückgewinnungshilfe nach §§ 73 Abs. 1 S. 2, 73a, 73b StGB a.F. nicht zum Anfall der Gebühr nach Nr. 4142 VV führten (vgl. hierzu die Nachweise bei Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl., 2019, RVG VV 4142 Rn 6 m.w.N.). Unter Geltung der §§ 73 ff. StGB n.F. entspreche es jedoch der (derzeit) h.M., dass es auf den Strafcharakter der (Einziehungs-)Maßnahme für die Gebührenentstehung nicht mehr ankomme, vielmehr solle die Gebühr für alle Maßnahmen nach §§ 73 ff. StGB n.F. anfallen können (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.; BeckOK-RVG/Knaudt, Stand: 1.12.2020, Nr. 4142 VV RVG Rn 4; Fromm, JurBüro 2019, 59; Klüsener, JurBüro 2018, 169, 170).

Schon der Wortlaut der Nr. 4142 VV spricht nach Auffassung des LG für die Richtigkeit dieser Meinung, da das neue Recht einheitlich die in Betracht kommenden Maßnahmen als "Einziehung" bezeichnet. Auch der Sinn und Zweck der Neuregelung spreche nach zutreffender Auffassung ebenso dafür, dass der sachliche Anwendungsbereich der Gebührenvorschrift auch bei einer Maßnahme nach § 73c StGB n.F. eröffnet sei. Denn eine Einziehung von Taterträgen habe nach neuem Recht auch dann zu erfolgen, wenn Entschädigungsansprüche von Tatverletzten nicht bestehen. Die Einziehungsentscheidung werde nach neuem Recht bereits endgültig zu Lasten des Einziehungsbetroffenen im Strafverfahren getroffen. Es gehe in dem nachträglichen Verfahren nur noch darum, ob die eingezogenen Vermögenswerte dem Staat anfallen oder nach dem in §§ 459h ff. StPO geregelten Verfahren an den Verletzten zurückzuübertragen seien (zutreffend LG Berlin RVGreport 2018, 178 = RVGprofessionell 2018, 80 = StRR 2/2018, 24; AG Frankfurt am Main RVGreport 2020, 390). Damit fehle es nach neuem Recht an einem "Nachfolgeverfahren", in dem der Rechtsanwalt die Möglichkeit habe, für die Rechtsvertretung des Mandanten Gebühren zu verdienen (zutreffend KG RVGreport 2019, 219 = StRR 5/2019, 27). Der entgegenstehenden, nicht näher begründeten Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (RVGreport 2020, 309) könne daher nicht gefolgt werden.

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