1. Gesetzliche Regelung

Für die Entscheidung des BGH war gem. § 48 Abs. 5 WEG die bis zum 30.11.2020 geltende Vorschrift des § 50 WEG anwendbar, weil das Verfahren vor dem AG Augsburg schon vor dem 1.12.2020 anhängig gemacht wurde. Nach § 50 WEG a.F. sind den Wohnungseigentümern als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Kosten nur die Kosten eines Bevollmächtigten Rechtsanwalts zu erstatten, wenn nicht aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte geboten war. Solche sachbezogenen Gründe wurden hier nach Auffassung des BGH weder vom Beklagten zu 2 vorgetragen noch waren sie sonst ersichtlich.

Der BGH hat auf seine ständige Rspr. verwiesen, wonach der Sinn der Beschränkung der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten darin liegt, dass die beklagten Wohnungseigentümer dasselbe Ziel verfolgten, nämlich die Abwehr der von der Klägerseite erhobenen Einwendungen gegen die Wirksamkeit eines gefassten Beschlusses (BGH RVGreport 2011, 432 [Hansens] = JurBüro 2021, 32).

2. Kein Ausnahmefall

Nach den weiteren Ausführungen des BGH reichen unterschiedliche Rechtsauffassungen der einzelnen beklagten Wohnungseigentümer nicht aus, um die Notwendigkeit einer Mehrfachvertretung zu begründen (BGH Rpfleger 2009, 699; BGH RVGreport 2011, 432 [Hansens] = JurBüro 2012, 32). Mit der Regelung des § 50 WEG solle nämlich das Kostenrisiko für anfechtende Wohnungseigentümer begrenzt werden. Außerdem gewährleiste diese Bestimmung, dass Wohnungseigentümer von der Erhebung einer Anfechtungsklage deshalb keinen Abstand nehmen, weil sie im Unterliegensfalle die Kosten für eine Vielzahl von Rechtsanwälten der übrigen Wohnungseigentümer erstatten müssten (BGH Rpfleger 2009, 699).

Um eine Ausnahme zu begründen, müsste nach den weiteren Ausführungen des BGH ein mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängender Grund vorliegen, der eine Vertretung der beklagten Wohnungseigentümer durch mehrere Rechtsanwälte rechtfertigen würde. Ein solcher Grund liege hier nicht deshalb vor, weil ein einzelner Wohnungseigentümer – wie hier der Beklagte zu 2 – über die Mehrheit der Stimmen verfügt und den angefochtenen Beschluss gegen die Stimmen aller übrigen Wohnungseigentümer herbeigeführt hat. Die übrigen Wohnungseigentümer würden nämlich ohne Rücksicht auf ihr individuelles Abstimmungsverhalten Beklagte sein und als solche dasselbe prozessuale Ziel wie der Mehrheitseigentümer verfolgen. Dass diese – anders als der Mehrheitseigentümer – gegen den gefassten Beschluss gestimmt hätten, reiche als Grund für eine Mehrfachvertretung nicht aus. Der von dem Verwalter beauftragte Rechtsanwalt sei nämlich verpflichtet, auf eine Abweisung der Klage hinzuwirken, um dem Willen der Mehrheit der Wohnungseigentümer Geltung zu verschaffen (BGH Rpfleger 2009, 699).

3. Kein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

Gem. § 43a Abs. 4 BRAO darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass in den Fällen, in denen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen mehrerer Wohnungseigentümer vorliegt, die Mehrfachvertretung erforderlich sein könnte (s. hierzu LG Berlin ZMR 2010, 309; Interessengegensatz in nur einem von mehreren Punkten).

Nach Auffassung des BGH liegen die Voraussetzungen des § 43a Abs. 4 BRAO hier jedoch nicht vor. Dieses Verbot würde nämlich nur dann eingreifen, wenn nach den konkreten Umständen des Falles ein Interessenkonflikt tatsächlich auftrete. Hingegen würde ein möglicher, tatsächlich aber nicht bestehender Interessenkonflikt nicht ausreichen (BGH NJW 2012, 3039; BGH NJW 2019, 1147; BGH NJW 2020, 2407). Dass hier ein solcher konkreter Interessenkonflikt vorgelegen hätte, habe der Beklagte zu 2 nicht dargetan. Ein solcher Interessenkonflikt ergebe sich auch nicht aus etwaigen Schadensersatzansprüchen wegen des Stimmverhaltens des Beklagten zu 2, wie dieser mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht hatte. Dem hat der BGH entgegengehalten, es sei nicht ersichtlich, dass solche Schadensersatzansprüche zur Zeit der Ausübung des Mandats geltend gemacht worden seien. Selbst dann würden sie lediglich den Klägern als den Antragstellern zustehen. Deshalb sei nicht ersichtlich, warum sich daraus im Verhältnis der beklagten Wohnungseigentümer untereinander ein Interessenkonflikt ergeben sollte.

4. Erstattungsrechtliche Folgen

Hat der Verwalter der Wohnungseigentumsanlage aufgrund der ihm in § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG a.F. eingeräumten gesetzlichen Befugnis für die beklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt beauftragt und hat – wie es hier der Beklagte zu 2 getan hat – einer der beklagten Wohnungseigentümer mit seiner Vertretung einen eigenen Rechtsanwalt mandatiert, sind nach der Rspr. des BGH die aufgrund des Auftrags des Verwalters angefallenen Anwaltskosten vorrangig zu erstat...

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