RVG § 23 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2; RVG VV Nrn. 3500, 3335

Leitsatz

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens gegen eine die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung ist dann entsprechend Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV auf den Wert der Hauptsache festzusetzen, wenn sich die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage richtet.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.6.2010–7 W 25/10

Aus den Gründen

Der Antrag des Antragsteller-Vertreters ist nach § 33 Abs. 1, 2 RVG zulässig. Denn die Gebühren für das gerichtliche Verfahren richten sich nicht nach dem hierfür maßgebenden Wert, sondern betragen nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1812 GKG-KostVerz. pauschal 50,00 EUR. Die Vergütung ist nach § 8 Abs. 1 RVG spätestens mit dem Zurückweisungsbeschluss des Senats fällig.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren gegen die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung ist nach § 23 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Danach war er dem Wert der Hauptsache entsprechend festzusetzen (so auch VGH München NJW 2007, 861; OLG Frankfurt/M. JurBüro 1992, 98; BayObLG JurBüro 1990, 1640; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.7.1980 – 14 W 15/80; Hartmann, KostG, 38. Aufl. 2008, Nr. 3335 VV, Rn 18; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, Rn 77; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rn 4402 f.; Madert/v. Seltmann, Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 5. Aufl. 2008, Rn 373 f.; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.3.1990–14 W 108/90).

Eine ausdrückliche Regelung zur Bestimmung des Gegenstandswertes gibt es nicht. In Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3335 VV findet sich eine solche lediglich für die Verfahren der Bewilligung der Prozesskostenhilfe und deren Aufhebung nach § 124 Nr. 1 ZPO. Danach entspricht der Gegenstandswert dem für die Hauptsache geltenden Wert.

Obwohl Nr. 3500 VV nicht auf die Anm. zu Nr. 3335 VV verweist, ist der Gegenstandswert gleichermaßen zu bestimmen, da sich die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage gerichtet hat.

Entgegen der Auffassung des OLG Koblenz zur Vorgängervorschrift des § 51 Abs. 2 BRAGO (JurBüro 1991, 253) handelt es sich bei der Anm. zu Nr. 3335 VV nicht um eine Spezialvorschrift, die die Anwendung auf das Beschwerdeverfahren verbietet. Denn zum einen soll mit der Bestimmung nach billigem Ermessen (§ 23 Abs. 3 S. 1 RVG) eine dem jeweiligen Einzelfall gerecht werdende Entscheidung gerade ermöglicht werden, die auch die Anwendung einer für wenige Fälle geltenden Norm nicht generell ausschließen kann. Dass Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV speziell auf das Bewilligungsverfahren und das Verfahren der Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Nr. 1 ZPO abstellt, schließt die Anwendung auf Beschwerdeverfahren nicht per se aus, da Nr. 3335 VV nur für Prozesskostenhilfeentscheidungen des Prozessgerichts gilt. Denn "sonstige besondere Verfahren" (Überschrift zu Unterabschnitt 6 des Abschnitts 3) erfasst die Beschwerdeverfahren (Überschrift Abschnitt 5) gerade nicht.

Zum anderen erfolgte mit der Benennung der Verfahren zur Bewilligung und zu ihrer Aufhebung wegen unrichtiger Angaben zur Sache offensichtlich insbesondere eine Abgrenzung zum Verfahren über die Ratenhöhe (vgl. Hartmann, KostG, 38. Aufl. 2008, Nr. 3335 VV Rn 18) sowie zur Aufhebung der Bewilligung aus sonstigen Gründen nach § 124 Nrn. 2–4 ZPO (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 3335 VV, Rn 74 f.), also zu Verfahren, die regelmäßig keine vertiefte juristische Prüfung erfordern.

Daraus ist zu schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Gegenstandswert immer dann nach dem Wert der Hauptsache zu bestimmen ist, wenn eine – der Hauptsache entsprechende – sachliche Aufbereitung des bzw. Auseinandersetzung mit dem Streitstoff erfolgt. So begründete er auf S. 217 f. der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1971) die Anm. zu Nr. 3335 VV gerade damit, dass die Vorarbeiten des Prozesskostenantrages aufgrund des zum Antrag regelmäßig erforderlichen Klageentwurfs die eigentliche gedankliche Leistung des Rechtsanwalts darstellt. Wenn sich der Anwalt sachlich gegen die Ablehnung des mit dieser Leistung gestellten Antrages wendet und sich wieder entsprechend einarbeiten muss, kann nichts anderes gelten.

Das OLG Koblenz hat seine – abweichende – Entscheidung u.a. damit begründet, dass mit der Bestimmung eines dem Wert der Hauptsache entsprechenden Gegenstandswerts für das Bewilligungsverfahren der Nachteil aus der niedrigen – gegenüber dem Hauptsacheverfahren halbierten – Gebühr nach § 51 Abs. 1 BRAGO ausgeglichen werden sollte, was jedoch für das Beschwerdeverfahren gerade nicht gelte. Für das Bewilligungsverfahren erhält der Rechtsanwalt nach Nr. 3335 VV jedoch inzwischen grundsätzlich dieselbe Verfahrensgebühr wie im Hauptsacheverfahren, wenngleich diese auf 1,0-Gebühr beschränkt ist. Ein Ausgleich ist seit Inkrafttreten des RVG folglich nicht mehr erforderlich, so dass die Überlegung auch für die Bestimmung des ...

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