So weit, so gut, oder auch nicht? Denn nach der Entscheidung des BGH ist immer noch offen, wer denn nun die Pflichtverteidigervergütung festsetzt. Der Rechtspfleger beim AG Frankfurt am Main oder/und – zumindest teilweise – auch der beim AG Deggendorf. Die Kommentarliteratur schweigt – so weit ersichtlich – zu der Frage.

M.E. ist die Lösung über § 55 Abs. 1 RVG zu suchen. Der dort in Abs. 1 S. 1 enthaltenen Regelung ist der Grundsatz zu entnehmen, dass für die Vergütungsfestsetzung (immer) das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig sein soll; eine Ausnahme gilt nach § 55 Abs. 1 S. 2 RVG – auf den ersten Blick – beim Pflichtverteidiger, wenn das Verfahren nicht anhängig geworden ist. Dann soll der Urkundsbeamte des Gerichts zuständig sein, das den Pflichtverteidiger bestellt hat. Das ist aber nur eine scheinbare Ausnahme, denn auch das danach zuständige Gericht ist immer "Gericht des ersten Rechtszuges" (AnwK-RVG/N. Schneider/Volpert/Volpert, 9. Aufl., 2021, § 55 Rn 86). Man darf sich in diesen Fällen zudem m.E. nicht dadurch täuschen lassen, dass zwei "Gerichte des ersten Rechtszuges" gegeben zu sein scheinen. Denn die Lösung dürfte darin liegen – und nur das ist auch praktikabel –, dass durch die Übernahme des Verfahrens – hier des bei der StA Deggendorf geführten Ermittlungsverfahrens durch die StA Frankfurt am Main nach Frankfurt am Main – es nur noch ein (Gesamt-)Verfahren gibt. Damit kann es nach der Übernahme durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main auch nur noch ein "Gericht des ersten Rechtszuges" geben und das ist das AG Frankfurt am Main. Daher ist m.E. der dortige Rechtspfleger insgesamt für die Vergütungsfestsetzung zuständig. Das entspricht i.Ü. auch der Rechtslage für den Fall, dass das Verfahren gerichtlich anhängig geworden wäre. Dann wäre das AG Frankfurt am Main nach § 55 Abs. 1 S. 1 RVG zuständig. Warum das im Fall, dass das Verfahren nicht gerichtlich anhängig geworden ist, anders sein sollte, erschließt sich nicht.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 8/2023, S. 350 - 351

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