§§ 47, 58 Abs. 2 RVG

Leitsatz

Verlangt der beigeordnete Anwalt aus der Staatskasse einen Vorschuss, so sind Zahlungen, die er vom Mandanten erhalten hat, anzurechnen, soweit sie zusammen mit dem angeforderten Vorschuss die Wahlanwaltsvergütung überschreiten würden.

VG Düsseldorf, Beschl. v. 27.6.2023 – 29 K 100/23 A

I. Sachverhalt

Der Anwalt hatte vom Mandanten für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren einen Vorschuss i.H.v. 200,00 EUR brutto erhalten. Nach Klageerhebung hat das VG dem Kläger dessen Anwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordnet. Den Streitwert des Verfahrens hat das VG auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Der Anwalt beantragte hiernach aus der Landeskasse die Zahlung eines Vorschusses in Höhe einer 1,3-Verfahrensgebühr nach der Tabelle des § 49 RVG i.H.v. 369,20 EUR zzgl. 20,00 EUR Postentgeltpauschale und 73,95 EUR Umsatzsteuer, insgesamt 463,15 EUR. Die Landeskasse bewilligte einen Vorschuss lediglich in Höhe 340,50 EUR. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte keinen Erfolg.

II. Vorschussrecht des beigeordneten Anwalts

Gem. § 47 Abs. 1 RVG kann ein Rechtsanwalt für die entstandenen Gebühren und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss fordern, wenn ihm wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Staatskasse zusteht. Diese Voraussetzungen liegen vor. Dem Kläger wurde PKH bewilligt und ihm wurde sein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Dieser hat damit wegen seiner Vergütung einen Anspruch gegen die Staatskasse auf Zahlung eines angemessenen Vorschusses. Der Vorschuss beträgt gem. § 49 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV 369,20 EUR. Zzgl. der Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV und der Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV summiert sich der Vorschussanspruch auf 463,15 EUR.

III. Zahlungen des Mandanten sind anzurechnen

Gem. § 58 Abs. 2 RVG muss jedoch der vom Kläger an seinen Prozessbevollmächtigten gezahlte Vorschuss i.H.v. 200,00 EUR auf die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zustehende Vergütung angerechnet werden. Nach dieser Vorschrift sind in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 VV bestimmen, Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht.

Vorliegend handelt es sich um eine Angelegenheit, bei der sich die Gebühren nach Teil 3 VV bestimmen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat von diesem eine Zahlung i.H.v. 200,00 EUR erhalten. Diese Zahlung ist auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung nach § 13 RVG und der PKH-Vergütung nach § 49 RVG anzurechnen, weil insoweit ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht (vgl. Kießling, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., 2021, § 58 Rn 14 ff.; Sommerfeldt/Sommerfeldt, in: BeckOK RVG, 60. Ed., Stand: 1.6.2023, § 58 Rn 6).

Als Wahlanwalt hätten dem Prozessbevollmächtigten des Klägers 540,50 EUR zugestanden. Die Differenz zur PKH-Vergütung i.H.v. 463,15 EUR beträgt 77,35 EUR. In dieser Höhe steht die Zahlung des Klägers über insgesamt 200,00 EUR seinem Prozessbevollmächtigten zu.

Wird jedoch durch die von einem Auftraggeber an seinen Prozessbevollmächtigten geleistete Zahlung die Wahlanwaltsvergütung überschritten, so findet hinsichtlich des diese Vergütung überschreitenden Teils der Zahlung eine Anrechnung auf die Grundvergütung nach § 49 RVG statt (Sommerfeldt/Sommerfeldt, in: BeckOK RVG, a.a.O., § 58 Rn 1, 6).

Der von den 200,00 EUR verbleibende Anteil i.H.v. 122,65 EUR ist daher von der Grundvergütung zu subtrahieren, sodass sich ein Vorschussanspruch i.H.v. 340,50 EUR ergibt (463,15 EUR abzüglich 122,65 EUR). Damit hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Ergebnis den Vorschuss auf die ihm zustehende Verfahrensgebühr zuzüglich einer Pauschale und der Umsatzsteuer erhalten. Unter Berücksichtigung der vom Kläger darüber hinaus geleisteten Zahlung steht er gebührenrechtlich so da, wie er stünde, wenn er Wahlanwalt wäre.

IV. Zukünftige Vergütungsansprüche sind unerheblich

Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat er nicht. Er möchte von der Staatskasse die volle PKH-Vergütung i.H.v. 463,15 EUR haben und zudem die von seinem Mandanten gezahlten 200,00 EUR behalten, um möglicherweise in der Zukunft noch anfallende Gebühren abzudecken. Seine diesbezügliche Argumentation, der Kläger habe seine Zahlung nicht auf die entstandenen Rechtsanwaltsgebühren, sondern auf die noch entstehenden Rechtsanwaltsgebühren (z.B. Terminsgebühr) geleistet, verfängt indessen nicht.

Zum einen fehlt es bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers, wonach er die 200,00 EUR auf sämtliche zu erwartenden Gebühren des gesamten Verfahrens, mithin auch auf die bereits entstandenen Gebühren, bezahlt habe, an einer entsprechenden Tilgungsbestimmung.

Unabhängig hiervon kann der Kläger aber ohnehin die dargelegte Anrechnungssystematik des RVG nicht dadurch umgehen, dass er nach eigenem Belieben durch Tilgungsbestimmungen entscheidet, in welcher Höhe die Staatskasse ihm welche Gebühren zu erstatten hat. Denn § 58 RVG regelt umfassend und abschließend, ob und in welch...

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