Das LG war davon ausgegangen, dass die anwaltliche Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision und die auftragsgemäße Erklärung der Rücknahme des Rechtsmittels die Verfahrensgebühr gem. Nrn. 4130, 4131 VV auch dann auslösen, wenn der Verteidiger wie hier bereits erstinstanzlich tätig war (ebenso KG, Beschl. v. 20.1.2009 – 1 Ws 382/08; Toussaint/Felix, KostR, 53. Aufl., 2023, RVG VV Teil 4 Rn 12; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV 4130, 4131 Rn. 5–7; AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021 VV 4130–4131 Rn 7; Bischof/Jungbauer/Kerber, RVG, 9. Aufl., 2021, Nrn. 4106–4135 VV Rn 93a; a.A. ohne nähere Begründung OLG Dresden, Beschl. v. 13.3.2014 – 2 Ws 113/14, AGS 2014, 221 m. abl. Anm. N. Schneider AGS 2014, 221).

Dem schließt sich das OLG an. Dass die bloße Einlegung der Revision durch den bereits erstinstanzlich tätigen Verteidiger mit den hierfür in der ersten Instanz entstehenden Gebühren bereits abgegolten wird (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG) und eine Revisionsbegründung nicht erstellt wurde, schließe die Entstehung der Gebühr gem. Nrn. 4130, 4131 VV hier nicht aus, denn diese Gebühr falle nicht erst mit der Begründung der Revision an. Dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Gebühr "insbesondere" die Fertigung der Revisionsbegründung als "Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit" vergütet werden solle (vgl. BT-Drucks. 15/1971, 226), stehe dem nicht entgegen und besage nicht, dass neben der Revisionseinlegung auch die nähere Prüfung der Erfolgsaussichten bereits durch erstinstanzliche Gebührentatbestände abgegolten sei. Die revisionsspezifische Prüfung der Erfolgsaussichten etwaiger Revisionsangriffe wegen einer Verletzung materiellen Rechts bzw. des Verfahrensrechts und deren Besprechung mit dem insoweit zu beratenden Angeklagten sei notwendige Voraussetzung für die Entscheidung über die Durchführung des Revisionsverfahrens sowie das Erstellen einer Revisionsbegründung und hänge hiermit unmittelbar und denklogisch zusammen. Es erschließe sich deshalb nicht, wieso nicht bereits die – unter Umständen einen ganz erheblichen Aufwand verursachende – anwaltliche Prüfung der konkret revisionsrechtlich eröffneten Anfechtungsmöglichkeiten die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren nicht auslösen solle, sondern erst die Fertigung der Rechtsmittelbegründung, zumal für diese Unterscheidung die geltende Gebührenregelung konkret nichts hergebe. Dies gilt umso mehr, wenn wie hier das ausgefertigte schriftliche Urteil bereits zugestellt worden sei und zur Prüfung der Erfolgssichten des Rechtsmittels vom Verteidiger durchgearbeitet werden müsse. Bei dieser Sachlage sei es weder plausibel noch sachgerecht, hinsichtlich der Entstehung des Gebührentatbestandes allein auf die Fertigung einer Revisionsbegründung abzustellen, zumal diese im Einzelfall – zum Beispiel bei alleiniger, den Gebührentatbestand erfüllender Erhebung einer nicht näher ausgeführten Sachrüge (vgl. hierzu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4130 VV Rn 7) – auch nicht zwingend einen gesonderten erheblichen Aufwand erfordern muss.

Wie das LG zutreffend ausgeführt habe, erfasse der Gebührentatbestand gem. Vorbem. 4 Abs. 2 VV alle nach Revisionseinlegung vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten, mithin auch die anwaltliche Prüfung und Beratung des Angeklagten über die konkreten Möglichkeiten und Erfolgsaussichten der Revision, und die Frage, ob das Revisionsverfahren durchgeführt oder das Rechtsmittel zurückgenommen werden solle, wohingegen nur völlig überflüssige, bedeutungslose und ersichtlich allein zur Auslösung des Gebührentatbestandes veranlasste Prozesshandlungen und ein rein rechtsmissbräuchliches Verhalten ausscheiden und für die Erfüllung des Gebührentatbestandes nicht ausreichen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 17.8.2006 – 2 Ws 134/06); der insoweit mögliche Missbrauch von Rechtsmitteln, bei dem die anwaltliche Tätigkeit nicht vom Verteidigungswillen getragen wird, sondern allein dem Vergütungsinteresse diene, sei zwar insoweit nicht auszuschließen und könne im Einzelfall auch nur schwer nachweisbar sein, biete jedoch nach dem geltenden Gebührenrecht allein keine geeignete Grundlage, den Vergütungsanspruch bei diesen Fallgestaltungen generell zu versagen (vgl. KG, Beschl. v. 20.1.2009, a.a.O.). Hier habe das LG im Hinblick auf den Verfahrensgang mit Recht keine Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Verteidigung gesehen und die geltenden Gebühren – auch der Höhe nach – zutreffend festgesetzt.

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