1. Begriff der außergerichtlichen Vertretung

Der Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit ist doppeldeutig, was in der Praxis grds. verkannt wird.

Es kann sich um einen Auftrag zur gesonderten außergerichtlichen Vertretung handeln. Dieser Auftrag ist dann nach Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV als Geschäftstätigkeit abzurechnen und löst eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus. Soweit es dann noch zu einem gerichtlichen Verfahren kommt – und sei es auch nur durch Protokollierung eines Vergleichs – ist diese Geschäftsgebühr dann gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.
Der Auftrag kann aber auch dahin lauten, anlässlich des gerichtlichen Verfahrens – quasi als Annex – außergerichtliche Verhandlungen zu führen. In diesem Fall gilt § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG. Die Tätigkeit gehört mit zum Rechtszug und wird durch die 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 VV und die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV abgegolten.

In aller Regel ist die Annex-Tätigkeit für den Mandanten günstiger. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die Einigung im gerichtlichen Verfahren noch protokolliert werden soll, insbesondere, weil eine Formbedürftigkeit besteht. In diesem Fall ist die gesonderte außergerichtliche Vertretung letztlich unsinnig, weil sie nicht zum Ergebnis führen kann. Dort kann keine abschließende Einigung getroffen werden, weil eine solche Einigung formbedürftig wäre. Es macht für den Mandanten also keinen Sinn, dass er zusätzlich noch eine Geschäftsgebühr zahlt, selbst wenn diese hälftig im Verfahren anzurechnen ist.

Insoweit weist das Gericht auch zutreffend darauf hin, dass den Anwalt die Darlegungs- und Beweislast für einen gesonderten außergerichtlichen Auftrag trifft.

Dies entspricht auch der Rspr. des BGH zur vorgerichtlichen Tätigkeit. Eine vorgerichtliche Tätigkeit kann nämlich ebenfalls als Geschäftsgebühr abzurechnen sein oder als Vorbereitung der Klage nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG. Auch hier liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Anwalt (BGH MDR 2021, 1031 = NJW-RR 2021, 1070 = zfs 2021, 522 = JurBüro 2021, 47; NJW-RR 2019, 1332 = MDR 2019, 1380 = zfs 2019, 702 = VersR 2020, 100 = RVGreport 2019, 453).

2. Vollmacht

Eine Vollmacht besagt nichts über den Auftrag. Die Vollmacht besagt lediglich, wozu der Anwalt im Außenverhältnis legitimiert ist. Sie besagt jedoch nichts dazu, welchen Auftrag er im Innenverhältnis erhalten hat.

3. Außergerichtlicher Vergleich

Dass der Vergleich hier außergerichtlich verhandelt und geschlossen worden ist, ist unerheblich. Wie sich aus § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG ergibt, zählen gerade außergerichtliche Vergleichsverhandlungen mit zum Rechtszug.

I.Ü. ist der Vergleich nicht außergerichtlich geschlossen worden. Er war formbedürftig und ist daher erst mit der gerichtlichen Protokollierung zustande gekommen (§ 127a BGB).

4. Terminsgebühr

Soweit das Gericht der Auffassung ist, eine Terminsgebühr falle nicht an, wenn eine Einigung der Parteien lediglich protokolliert werde, ist dies zwar grds. zutreffend. Dies betrifft aber nur den Fall, dass die Parteien selbst die Einigung herbeigeführt haben und die Anwälte nur noch protokollieren. Wenn allerdings der Anwalt – wie hier – an der Einigung beteiligt war, entsteht immer die Terminsgebühr, zumindest in der Variante der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV (Einigung).

5. Überzahlung

Soweit das LG eine Überzahlung errechnet hat, hat die Klägerin diesen Zuvielbetrag zwischenzeitlich freiwillig zurückerstattet.

6. Empfehlung

Dieser Fall zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, über den Auftrag zu sprechen und ihn zu dokumentieren.

Der Fall zeigt aber auch, dass es grds. wohl ein Verstoß gegen Belehrungspflichten darstellt, wenn der Anwalt sich anlässlich eines bereits anhängigen Scheidungsverfahrens einen gesonderten außergerichtlichen Auftrag für Folgesache erteilen lässt, die im Termin protokolliert werden sollen.

Anders wäre ggfs. abzurechnen gewesen, wenn der Auftrag dahin gegangen wäre, die nicht anhängigen Gegenstände durch einen notariellen Vertrag zu regeln.

Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass dies in aller Regel nicht erforderlich ist.

Gem. § 127a BGB ersetzt die gerichtliche Protokollierung als Vergleich die notarielle Beurkundung.

Es besteht daher grds. keine Notwendigkeit, Gegenstände, die man im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs regeln kann, notariell beurkunden zu lassen. Dies löst lediglich unnötigerweise eine Geschäftsgebühr und darüber hinaus zusätzlich Notarkosten.

Ein Anwalt, der die Mandantschaft nicht darauf hinweist, dass die einfache Möglichkeit der gerichtlichen Protokollierung besteht, macht sich m.E. schadensersatzpflichtig.

Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen

AGS 8/2022, S. 359 - 362

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