1. Bestimmung des Streitwertes

Die Entscheidung des BGH hinterlässt bei dem Leser eine gewisse Ratlosigkeit. Wenn die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entfällt die Rechtshängigkeit der Hauptsache. Folglich berechnen sich der Streitwert und die Beschwer nach den bis dahin angefallenen Prozesskosten, soweit dieser den Wert der Hauptsache nicht übersteigt (BGH AGS 2015, 78 und der BGH hier). Jedoch ist für die Streitwertbemessung, die ja für die Berechnung der Gerichtsgebühren maßgebend ist, der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die betreffende gerichtliche Verfahrensgebühr entstanden ist (s. § 40 GKG). Vorliegend ist die vor dem BGH im Revisionsverfahren nach Nr. 1230 GKG KV zunächst angefallene 5,0-Verfahrensgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG mit der Einreichung der Revisionsschrift der Beklagten angefallen. Zu diesem Zeitpunkt war noch der ursprüngliche Hauptsachewert i.H.v. 11.741,91 EUR maßgeblich.

Diese Verfahrensgebühr hat sich i.Ü. nicht nach Nr. 1232 Nr. 4 GKG KV auf den Satz von 3,0 ermäßigt. Dies hätte bei Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO vorausgesetzt, dass keine Entscheidung über die Kosten ergangen wäre oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Parteien über die Kostentragung folgte. Ein solcher Fall hat hier nicht vorgelegen, da die Parteien wechselseitige Kostenanträge gestellt hatten.

Daraus wird auch ersichtlich, dass eine zeitlich gestaffelte Festsetzung des Streitwertes nicht in Betracht kommt. Die gerichtliche Verfahrensgebühr ist mit Einreichung der Revisionsschrift fällig geworden und gleichzeitig entstanden. In der Folgezeit sind beim BGH keine weiteren vom Streitwert abhängigen Gerichtsgebühren angefallen. Folglich war für die Festsetzung des Streitwertes gem. § 40 GKG nur auf den Zeitpunkt der Einreichung der Revisionsschrift abzustellen.

2. Ausführungen zum Gegenstandswert

Nicht recht verständlich sind die Ausführungen des BGH zur Berechnung des Wertes für die Anwaltsgebühren. Damit hätte sich der BGH nur befassen dürfen, wenn ein Antragsberechtigter (s. § 33 Abs. 2 S. 2 RVG) einen entsprechenden Antrag auf Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren gem. § 33 Abs. 1 RVG gestellt hätte. Zwar hat der BGH in seinem Streitwertfestsetzungsbeschluss ausgeführt, es sei "weder ersichtlich noch dargelegt (§ 33 Abs. 1 RVG), dass für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren ein anderer Wert als der für die Gerichtskosten maßgebliche ursprüngliche Hauptsachestreitwert von 11.741,91 EUR (vgl. § 40 GKG) von Bedeutung sein sollte". Die Nennung des § 33 Abs. 1 RVG könnte dafür sprechen, dass der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter oder der Beklagte oder dessen Rechtsanwalt einen entsprechenden Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes gestellt hat. Der BGH hat jedoch in seinem Beschluss nicht den für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswert, sondern den "Streitwert für das Revisionsverfahren", der für die Berechnung der gerichtlichen Verfahrensgebühr maßgeblich ist, festgesetzt.

Möglicherweise hat der BGH diese beiden Wertfestsetzungsverfahren verwechselt und wollte tatsächlich den Gegenstandswert auf Antrag eines Antragsberechtigten festsetzen, hat dies jedoch in den Beschlussgründen nicht zum Ausdruck gebracht. Eine solche Verwechslung wäre für einen Zivilsenat des BGH schon peinlich, kommt aber in der Praxis leider immer wieder vor. Dann wäre dem BGH neben einem Formulierungsfehler noch der größere Lapsus unterlaufen, dass er den Gegenstandswert nicht nur für die anwaltliche Tätigkeit desjenigen Anwalts festgesetzt hat, der den entsprechenden Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes gestellt hat. Gleiches gilt, wenn der Mandant Antragsteller gewesen ist. Eine Festsetzung des Gegenstandswertes allgemein für die anwaltliche Tätigkeit ist nämlich unzulässig (KG zfs 2022, 46 m. Anm. Hansens = AGS 2021, 281 [Hansens]).

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 8/2022, S. 376 - 377

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