Die Entscheidung des LAG widerspricht dem Wortlaut der Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1003 VV. Gem. Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1003 VV führt zwar die Anhängigkeit eines Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens zur Reduzierung des Gebührensatzes der Einigungsgebühr von 1,5 auf 1,0. Wird jedoch lediglich beantragt, die bereits bewilligte Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit auch auf den Mehrwert eines Vergleichs zu erstrecken, so ist ein ("neues" und "selbst- oder eigenständiges") Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe i.S.d. Anm. zu Nr. 1003 VV gerade nicht anhängig. Von einer Anhängigkeit i.S.d. der Anm. Abs. 1 S. 1 zur Nr. 1003 VV (auch der Nr. 1004 VV) ist nur und auch erst dann auszugehen, wenn der Gegenstand der Einigung durch Anträge Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens geworden ist, so dass das Gericht ohne die Einigung über die geltend gemachten Ansprüche eine Entscheidung hätte treffen müssen. Dies ist bei einem Antrag auf Erstreckung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe und war demnach auch in dem der Entscheidung des LAG zugrunde liegenden Rechtsstreit nicht der Fall. Der Antrag auf Erstreckung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe auf den Mehrwert eines Vergleichs und erst Recht nicht die gesetzliche Verfahrenskostenhilfeerstreckung in einer Ehesache (§ 48 Abs. 3 RVG) führen demnach zur Anhängigkeit im Sinne der Vorschrift.

Anhängigkeit i.S.d Anm. Abs. 1 zu Nr. 1003 VV liegt nach dem eindeutigen Wortlaut vor, wenn ein Verfahren über die Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe anhängig (Anm. Abs. 1 S. 1 VV) ist, also eingereicht oder ein Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher geführt wird (Anm. Abs. 1 S. 3 zu Nr. 1003 VV). Bei dem Antrag auf Erstreckung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs werden die Erfolgsaussichten nicht geprüft. Daher führt der Abschluss eines Mehrvergleichs für den Prozessostenhilfe bewilligt worden ist, nicht zur Reduzierung der Einigungs- oder Erledigungsgebühr.[1]

Nach der vor allem in der Arbeitsgerichtsbarkeit – so auch vom LAG – vertretenen Auffassung soll der Rechtsanwalt den Gebührensatz der Einigungsgebühr nur dann unvermindert erhalten (1,5), wenn die Prozesskostenhilfe nur zur Protokollierung der Einigung beantragt und das Gericht ausschließlich als "Beurkundungsorgan" in Anspruch genommen wird.[2] Insoweit der Vergleich aber zuvor vor Gericht erörtert wird, soll nur die ermäßigte 1,0-Gebühr nach Nr. 1003 VV ausgelöst werden. Diese Auffassung ist aber gesetzeswidrig und lässt sich nur mit fiskalischen Gründen erklären.

Lotte Thiel

AGS, S. 371 - 373

[1] LAG Bremen AGS 1997, 15 m. Anm. Madert = zfs 1997, 148; LAG Düsseldorf, AGS 2014, 505 = JurBüro 2015,73 = NZA-RR 2014, 661 = NJW-Spezial 2014, 764 = FA 2014, 380.

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