Leitsatz

Im Mahnverfahren kommt die Beiordnung eines Anwalts für den Antragsgegner grundsätzlich nicht in Betracht.

LG Stuttgart, Beschl. v. 19.1.2015 – 10 T 12/15

1 Sachverhalt

Der Antragsteller hatte gegen den Antragsgegner einen Mahnbescheid über eine Forderung wegen rückständigen Unterhalts gem. § 7 UVG aus übergegangenem Unterhaltsanspruchsbescheid i.H.v. 5.027,32 EUR erwirkt. Dagegen hat der Antragsgegner, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Widerspruch eingelegt.

Gleichzeitig beantragte der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners, dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen. Der Rechtspfleger des AG regte an, den Antrag zurückzunehmen. Grundsätzlich werde im Mahnverfahren nur dem Antragsteller für die Gerichtskosten Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts werde im Mahnverfahren grundsätzlich nicht bewilligt, da es sich um ein vereinfachtes Verfahren handele. Prozesskostenhilfe für einzelne Prozesshandlungen, z.B. die Widerspruchserhebung, sei nicht vorgesehen. Hierzu führte der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners aus, dass eine Beiordnung geboten sei, weil es um schwierige unterhaltsrechtliche Fragen gehe. Es werde nicht für einzelne Prozesshandlungen Prozesskostenhilfe beantragt, sondern für das gesamte Verfahren.

Das AG wies den Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zurück. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt sei nicht erforderlich. Das Mahnverfahren sei ein einfaches Verfahren, bei dem lediglich das Widerspruchsformular auszufüllen sei. Nach Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache bestehe kein sachliches oder persönliches Bedürfnis nach anwaltlicher Unterstützung für den Antragsgegner.

Gegen diesen Beschluss legte der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners sofortige Beschwerde ein. Die Angelegenheit sei in höchstem Maße umfangreich und schwierig. Für die Entscheidung, den Mahnbescheid zu akzeptieren oder Widerspruch einzulegen, sei eine Überprüfung nicht nur des Schriftwechsels mit der Behörde sondern auch der Frage, ob und in welchem Umfang ein Unterhaltsanspruch bestehe, erforderlich gewesen. Zudem sei die Leistungsfähigkeit, die Bemessung der Unterhaltsbeträge und die Ermessensfehlerfreiheit der Heranziehung des Antragsgegners zu prüfen gewesen. Da es sich bei dem Antragsteller um eine Behörde handele, gebiete auch der Grundsatz der Waffengleichheit die Beiordnung eines Anwalts für den Antragsgegner.

Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem LG vorgelegt.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 11 Abs. 1 RpflG, 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO statthaft, form- und fristgerecht in der Monatsfrist gem. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt und insgesamt zulässig.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. Gem. § 121 Abs. 1 ZPO wird der hilfsbedürftigen Partei bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist. Soweit eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, wird der Partei gem. § 121 Abs. 2 ZPO auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Beiordnung nicht geboten. Im Mahnverfahren hat weder der Antragsteller noch der Widerspruch einlegende Gegner Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 121 Rn 6 m.w.N.; Thüringer LAG, Beschl. v. 29.9.2008 – 1 Ta 82/08 m.w.N.). Die von dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners angeführten Umstände und besonderen Schwierigkeiten führen nicht zur Beiordnung im Mahnverfahren. Die kontradiktorische Auseinandersetzung der Antragsparteien wird nicht im Mahnverfahren, sondern in dem nachfolgenden Streitverfahren ausgetragen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZB 175/07 [= AGS 2010, 335]). Dass es sich bei dem streitigen Anspruch, gegen den der Antragsgegner Widerspruch einlegen ließ, um familienrechtliche Unterhaltsforderungen handelt und die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 Abs. 2 ZPO im streitigen Verfahren geboten sein kann, ist für das Mahnverfahren ohne Belang. Auch im Mahnverfahren über einen Unterhaltsanspruch kann der Antragsteller den Widerspruch gem. § 694 ZPO ohne nähere Begründung einlegen. Die erforderliche Vorprüfung, ob der Antragsgegner sich bei den gegen ihn geltend gemachten Unterhaltsansprüchen überhaupt auf ein streitiges Verfahren einlassen soll, unterscheidet sich nicht grundsätzlich von anderen Ansprüchen mit komplexen Sachverhalten, die im Mahnverfahren geltend gemacht werden können.

Demnach ist die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

3 Anmerkung

Die Entscheidung ist unzutreffend. Bereits im Mahnverfahren werden die Weichen für das streitige Verfahren gestellt. Fehlerhafte Anträge im Mahnverfahren wirken sich im nachfolgenden streitigen Verfahren aus und können f...

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