Für die Aufteilung des Strafbefehlsverfahrens in verschiedene Verfahrensabschnitte gelten keine Besonderheiten. Auch das Strafbefehlsverfahren kann aus vorbereitendem, gerichtlichen und Rechtsmittelverfahren bestehen. Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren sind nach § 17 Nr. 10a RVG verschiedene Angelegenheiten. Von Bedeutung ist, dass das vorbereitende Verfahren nach der Anm. zu Nr. 4104 VV bereits mit dem Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls endet. Die Einlegung des Einspruchs gegen den Strafbefehl gehört daher bereits zum gerichtlichen Verfahren und löst die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV aus.[63]

 

Beispiel 19

Dem B wird eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB zur Last gelegt. Er beauftragt am Tag nach dem Vorfall den Rechtsanwalt R. Dieser nimmt Akteneinsicht und gibt für den B eine Stellungnahme ab. Es ergeht gegen den B ein Strafbefehl. Gegen diesen legt R Einspruch ein. Es findet dann beim AG eine eintägige Hauptverhandlung statt, in der B zu einer Geldstrafe verurteilt wird. B lässt das Urteil rechtkräftig werden.

Der Fall zeigt keine Besonderheiten. Entstanden sind für die anwaltliche Tätigkeit des R die Grundgebühr Nr. 4100 VV, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV, die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV und die Terminsgebühr Nr. 4108 VV für die Teilnahme an der Hauptverhandlung.

 

Beispiel 20

Dem B wird eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB zur Last gelegt. Er beauftragt R als Verteidiger. Dieser nimmt im vorbereitenden Verfahren Akteneinsicht und gibt für den B eine Stellungnahme ab. Es ergeht gegen den B ein Strafbefehl. R legt Einspruch ein. Danach zerstreitet er sich mit B, der ihm das Mandat entzieht.

Entstanden sind für die anwaltliche Tätigkeit des R bis zur Entziehung des Mandats die Grundgebühr Nr. 4100 VV und die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV. Angefallen ist außerdem auch schon die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV. Das vorbereitende Verfahren endet nämlich nach der Anm. zu Nr. 4104 VV mit dem Eingang des Antrags aus Erlass des Strafbefehls. Die Einlegung des Einspruchs gehört daher bereits zum gerichtlichen Verfahren und löst die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV aus. Etwas anderes folgt nicht aus § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG. Die Anm. zu Nr. 4104 VV stellt insoweit eine Sonderregelung dar.

 

Beispiel 21

Im Beispiel 20 sucht B den Rechtsanwalt R nach Zustellung des Strafbefehls auf. R berät B über den Einspruch und seine Chancen. B entschließt sich dann, keinen Einspruch einzulegen.

Auch in diesem Fall ist bereits die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV entstanden. Diese entsteht mit jeder anwaltlichen Tätigkeit, die nach Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls bei Gericht, womit das vorbereitende Verfahren endet, erbracht wird.[64]

Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 7/2023, S. 289 - 296

[63] Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4104 VV Rn 11.
[64] Vgl. OLG Hamm AGS 2002, 34 m. Anm. Madert = Rpfleger 2002, 171; Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4104 VV Rn 11; zur Frage, ob in diesen Fällen auch eine Gebühr nach Nr. 4141 VV entsteht, s. Beispiel 14.

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