§§ 5, 45 Abs. 1, 46 Abs. 1, 55 RVG

Leitsatz

Der beigeordnete Rechtsanwalt kann aus der Landeskasse die Erstattung der Kosten für die Beauftragung eines Terminsvertreters (§ 5 RVG) begrenzt auf die fiktiven Reisekosten einschließlich der Abwesenheitsgelder nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung verlangen, soweit diese bei Terminswahrnehmung durch ihn selbst angefallen und erstattungsfähig gewesen wären.

LAG Halle (Saale), Beschl. v. 7.4.2022 – 3 Ta 72/21

I. Sachverhalt

Der Kläger hatte vor dem ArbG Halle (Saale) Zahlungsansprüche i.H.v. 4.458,67 EUR geltend gemacht. Unter dem 6.11.2019 beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines auswärtigen Prozessbevollmächtigten. Für die Durchführung des Gütetermins am 21.11.2019 erteilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers im eigenen Namen einem bei dem Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt eine Terminsvollmacht, der eine Vergütungsvereinbarung über 85,00 EUR netto zugrunde lag. Der beauftragte Rechtsanwalt nahm den Termin wahr und rechnete gegenüber dem Prozessbevollmächtigten das vereinbarte Honorar ab.

Der Rechtsstreit endete durch das rechtskräftig gewordene Versäumnisurteil vom 21.11.2019. Durch Beschl. v. 6.12.2019 bewilligte das ArbG Halle (Saale) dem Kläger rückwirkend zum 6.11.2019 ratenweise PKH unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Die Beiordnung auch des Terminsvertreters wurde weder beantragt noch bewilligt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte hieraufhin die Festsetzung der ihm aus der Landeskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt:

 
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 334,10 EUR
  (Wert: 4.458,67 EUR)  
2. 0,5-Terminsgebühr, Nr. 3105 VV 151,50 EUR
  (Wert: 4.458,67 EUR)  
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Sonstige Auslagen für Terminsvertreter, Nr. 7006 VV 85,00 EUR
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 112,21 EUR
  Gesamt 702,81 EUR

Der Rechtspfleger (richtig: Urkundsbeamte der Geschäftsstelle) des ArbG Halle setzte die an den Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Landeskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 574,29 EUR fest. Die Terminsgebühr berücksichtigte er nur i.H.v. 128,50 EUR, die sonstigen Auslagen für den Terminsvertreter überhaupt nicht.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, die Kosten für den Terminsvertreter seien in Höhe seiner eigenen fiktiven Terminsreisekosten zu ersetzen. Diese berechnete er wie folgt:

 
 
1. Fahrtkosten (202 km), Nr. 7003 VV 60,60 EUR
2. Tage- und Abwesenheitsgelt, Nr. 7005 VV 25,00 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 16,26 EUR
  Gesamt 101,86 EUR

Das ArbG Halle (Saale) hat die Erinnerung des Rechtsanwalts zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers hatte überwiegend Erfolg.

II. Anspruch gegen die Landeskasse

1. Gesetzliche Grundlagen

Der dem Kläger im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt hat gem. § 45 Abs. 1 S. 1 RVG einen Anspruch gegen die Landeskasse auf die gesetzliche Vergütung. Zu dieser gesetzlichen Vergütung gehören nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 RVG die Gebühren und Auslagen. Grund und Höhe des Vergütungsanspruchs bestimmen sich gem. § 48 Abs. 1 RVG nach dem Umfang der Beiordnung. Die Regelung in § 45 Abs. 1 RVG wird hinsichtlich der Auslagen modifiziert. Gem. § 46 Abs. 1 RVG werden Auslagen, insbesondere Reisekosten nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren.

Das LAG Halle (Saale) hat zunächst darauf hingewiesen, dass dem Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht entgegensteht, dass die Bewilligung und Beiordnung erst durch Beschl. v. 6.12.2019 rückwirkend zum 6.11.2019 erfolgt war. Diese Entscheidung über den (rückwirkenden) Zeitpunkt der Beiordnung sei für das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bindend. Folglich könne eine Überprüfung der Richtigkeit des Bewilligungszeitpunktes im Festsetzungsverfahren nicht mehr erfolgen.

2. Kosten für den Terminsvertreter

Nach Auffassung des LAG Halle (Saale) hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gem. § 46 Abs. 1 RVG gegen die Landeskasse auch einen Anspruch auf die Kosten für die Beauftragung des Terminsvertreters. Diese seien jedoch auf die fiktiven Reisekosten begrenzt, die entstanden wären, wenn der Klägervertreter den Gütetermin bei dem ArbG Halle selbst wahrgenommen hätte. Somit sei eine Vergleichsberechnung mit den durch die Beauftragung des Terminsvertreters nach § 5 RVG entstandenen Kosten vorzunehmen.

a) Keine Beiordnung des Terminsvertreters

Dem Anspruch des Prozessbevollmächtigten des Klägers steht nach den weiteren Ausführungen des LAG nicht entgegen, dass der Terminsvertreter keinen eigenen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse hat, da die Beiordnung des Terminsvertreters gem. § 121 Abs. 4 ZPO weder beantragt noch bewilligt worden sei. Nach Auffassung des LAG bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, ob eine solche Beiordnung überhaupt möglich gewesen wäre. Selbst aus der fehlenden Möglichkeit einer Beiordnung eines Terminsv...

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