Einführung

Im Kostenfestsetzungsverfahren in Strafsachen nach § 464b StPO wird auf Antrag eines Beteiligten vom Gericht des ersten Rechtszugs die Höhe der Kosten und Auslagen festgesetzt, die ein Beteiligter einem anderen Beteiligten zu erstatten hat. Da im Kostenfestsetzungsverfahren nur eine Entscheidung über die Höhe der zu erstattenden Kosten getroffen wird, muss eine Entscheidung darüber vorliegen, von wem die Kosten zu tragen sind (Kostengrundentscheidung). Im Fall des Freispruchs werden die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Das Kostenfestsetzungsverfahren richtet sich in diesem Fall gegen die Staatskasse. Werden die notwendigen Auslagen des Nebenklägers oder des Privatklägers dem Verurteilten auferlegt, richtet sich das Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Verurteilten.

Für die Kostenfestsetzung muss zwischen den Kosten des Verfahrens (vgl. § 464a Abs. 1 StPO) und den notwendigen Auslagen (vgl. § 464a Abs. 2 StPO) unterschieden werden.[2] Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens gem. § 464b StPO sind die notwendigen Auslagen eines Beteiligten.

[2] Vgl. z.B. LG Arnsberg AGS 2009, 484.

I. Kostengrundentscheidung

1. Rechtskräftige Kostengrundentscheidung

Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch eines Beteiligten ist eine Kostenentscheidung, in der die notwendigen Auslagen eines Beteiligten einem anderen Beteiligten auferlegt worden sind. Diese Kostengrundentscheidung muss rechtskräftig sein (vgl. auch § 449 StPO). Die Entscheidung darüber, welche Kosten zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten gehören und in welcher Höhe sie zu erstatten sind, erfolgt im Kostenfestsetzungsverfahren. Auch der Inhalt einer fehlerhaften oder sogar grob gesetzwidrigen Kostenentscheidung ist bindend und jeder Abänderung oder Ergänzung entzogen, soweit es sich nicht um eine nichtige Kostenentscheidung handelt.[3]

Nach § 464 StPO muss jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung eine Bestimmung darüber treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. Gem. § 464 Abs. 2 StPO trifft das Gericht in dem das Verfahren abschließenden Urteil oder in dem Beschluss eine Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen eines Beteiligten trägt.

Eine Erstattung von notwendigen Auslagen eines Beteiligten in Strafsachen ist vorgesehen in:

§ 467 Abs. 1 StPO (Staatskasse: bei Freispruch, Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens, Einstellung),
§ 467a Abs. 1 StPO (Staatskasse: bei Rücknahme der Anklage oder des Antrags auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren oder des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls und anschließender Einstellung durch die Staatsanwaltschaft),
§ 469 Abs. 1 StPO (Anzeigender: bei vorsätzlich oder leichtfertig erstatteter unwahrer Anzeige),
§ 470 S. 1 StPO (Antragsteller: nach Rücknahme des Strafantrags und Einstellung),
§ 471 Abs. 2 StPO (Privatkläger: bei Zurückweisung der Privatklage und Freispruch des Beschuldigten sowie bei Einstellung),
§ 473 StPO (Staatskasse, Privat- oder Nebenkläger: bei erfolglosem Rechtsmittel; Staatskasse: bei erfolgreichem Rechtsmittel des Beschuldigten).
[3] Vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 2019, 538; LG Koblenz AGS 2011, 353.

2. Überflüssige Kostengrundentscheidung

Eine Entscheidung über die Verpflichtung zur Tragung von notwendigen Auslagen ist überflüssig, wenn es nach dem Gesetz selbstverständlich ist, wer die notwendigen Auslagen zu tragen hat. Im Fall seiner Verurteilung oder Verwerfung seines Rechtsmittels ist es selbstverständlich, dass der Angeklagte seine notwendigen Auslagen zu tragen hat. Eine entsprechende Feststellung ist daher überflüssig.[4]

[4] BGHSt 36, 27.

3. Fehlen einer Kostengrundentscheidung

a) Grundsatz

Fehlt eine Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen zu tragen hat, verbleiben die notwendigen Auslagen bei demjenigen, dem sie entstanden sind.[5] Dann trägt jeder der Beteiligten seine notwendigen Auslagen selbst.[6] Eine nachträgliche Ergänzung oder Berichtigung der Auslagenentscheidung ist unzulässig.[7] Werden bei einem Teilfreispruch die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dem Verurteilten auferlegt, soweit er verurteilt worden ist, fehlt aber die Entscheidung darüber, dass die Staatskasse die auf den freigesprochenen Teil entfallenden notwendigen Auslagen trägt, ist für eine Festsetzung von notwendigen Auslagen gegen die Staatskasse kein Raum.[8]

[5] Vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 160 = Rpfleger 2012, 468; OLG Karlsruhe JurBüro 2019, 538; LG Braunschweig Nds.Rpfl 2012, 252.
[6] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., 2021, § 464 Rn 12 und § 472 Rn 10.
[7] BGH NStZ-RR 1996, 352; OLG Karlsruhe JurBüro 2019, 538; OLG Koblenz StraFo 2003, 425; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464 Rn 12 und § 472 Rn 10.
[8] LG Braunschweig Nds.Rpfl 2012, 252.

b) § 74 JGG

Gem. § 74 JGG kann im Verfahren gegen einen Jugendlichen davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen. Unklar ist, ob § 74 JGG grds. die Möglichkeit eröffnet, davon abzusehen, dem Angeklagten seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen und diese Auslagen der Staatskasse aufzubürden, oder ob unter "Auslagen" i.S.d. § 74 JGG allein die Auslagen Dritter zu verstehe...

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