RVG VV Nr. 7008; GKG § 28 Abs. 2; GKG-KostVerz. Nr. 9003; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 6

Leitsatz

Der gesetzliche Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers umfasst auch die auf die Aktenversendungspauschale entfallende Umsatzsteuer.

OLG Bamberg, Beschl. v.2.4.2009–1 Ws 127/09

1 Sachverhalt

Das AG hatte die Beschwerdeführerin dem Angeklagten als Pflichtverteidigerin beigeordnet. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragte die Beschwerdeführerin die Festsetzung ihrer Gebühren und Auslagen. Geltend gemacht wurde u.a. ein Betrag in Höhe von 12,00 EUR, den die Beschwerdeführerin für eine Akteneinsicht an die Landesjustizkasse gezahlt hatte. Das AG setzte die Umsatzsteuer auf die Aktenversendungspauschale mit der Begründung ab, eine Umsatzsteuerpflicht liege erst dann vor, wenn die Kosten an den Mandanten weiterbelastet würden. Im Fall der Erstattung der verauslagten Aktenversendungspauschale aus der Staatskasse gäbe es diese Weiterbelastung an den Mandanten nicht. Somit könne auch keine Umsatzsteuer anfallen bzw. aus der Staatskasse erstattet werden. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung wurde zurückgewiesen, die Beschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die seitens der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde hat das LG als unbegründet verworfen, weil es sich bei dem Geschäft um keinen umsatzpflichtigen Vorgang gehandelt habe. Komme es wegen der Pflichtverteidigung nicht zu einer Weiterbelastung an den Mandanten, sondern ersetze die Staatskasse die vom Pflichtverteidiger für die Aktenversendung verauslagten Gebühren, liege kein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft vor. Das LG hat die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.

2 Aus den Gründen

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 33 Abs. 5 S. 2 RVG, 546 ZPO), soweit die von der Beschwerdeführerin beantragte Festsetzung der Mehrwertsteuer auf die Aktenversendungspauschale unterblieben ist. Denn es macht insoweit keinen Unterschied, ob der Rechtsanwalt als Wahlverteidiger oder Pflichtverteidiger seine entsprechende Rechnung stellt.

1.  Ausgangspunkt für die Abrechnung verauslagter Beträge ist Vorbem. 7 Abs. 1 VV. Danach kann der Anwalt verauslagte Aufwendungen (§§ 675 i.V.m. 670 BGB) dem Auftraggeber in Rechnung stellen. Grundlage für die Inrechnungstellung der Umsatzsteuer ist Nr. 7008 VV. Danach hat der Anwalt seinem Auftraggeber die Umsatzsteuer, die das Finanzamt von ihm auf seine Vergütung erhebt, in Rechnung zu stellen. Entscheidend ist die tatsächliche Umsatzsteuerpflicht der anwaltlichen Tätigkeit. Muss der Anwalt Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, kann und muss er sie dem Mandanten in Rechnung stellen. Ist demgegenüber der Mandant Kostenschuldner der vom Anwalt vorgelegten Beträge, sind diese nicht mit Umsatzsteuer zu belegen. Es handelt sich dabei lediglich um durchlaufende Posten nach § 10 Abs. 1 S. 6 UStG, die der Anwalt seinem Mandanten umsatzsteuerfrei in Rechnung stellen kann. Ein durchlaufender Posten nach § 10 Abs. 1 S. 6 UStG liegt dann vor, wenn der Unternehmer, der die Beträge vereinnahmt oder verauslagt hat, im Zahlungsverkehr lediglich die Funktion einer Mittelsperson ausübt, ohne selbst einen Anspruch auf den Betrag gegen den Leistenden zu haben. Weiterhin darf er nicht zur Zahlung an den Empfänger verpflichtet sein (vgl. Verfügung OFD Karlsruhe v. 15.8.2007, DStR 2007, 1728). Hinsichtlich der Gerichtsgebühr (§§ 22 ff. GKG) ist der jeweilige Mandant Schuldner der Gerichtskosten, insoweit handelt es sich für den Anwalt um durchlaufende Posten, die nicht zu versteuern sind. Anders verhält es sich dagegen bei den Kosten einer Aktenversendung nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. Die Auslagen nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. schuldet nur, wer die Versendung oder die elektronische Übermittlung der Akte beantragt hat (§ 28 Abs. 2 GKG). Dies ist der Verteidiger, also auch der Pflichtverteidiger (vgl. Hartmann, KostG, 37. Aufl., § 28 Rn 6; Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., VV 7008 Rn 12–16; Burhoff, RVG, 2. Aufl., VV 7008 Rn 20; sowie die informative Darstellung der gesamten Problematik bei Schneider, Umsatzsteuer auf Auslagen des Rechtsanwalts, in: DStR 2008, 759 ff.). Zutreffend weist Schneider (a.a.O.) darauf hin, dass das Recht auf Akteneinsicht auch der Partei zusteht und von ihr geltend gemacht werden kann. Die Partei hat jedoch kein Recht darauf, dass die Akten an sie versendet werden. Diese Leistung erbringt das Gericht ausschließlich gegenüber dem Anwalt, so dass dieser auch Kostenschuldner wird, wenn er die Akten zur Einsichtnahme in seiner Kanzlei anfordert (vgl. OFD Karlsruhe, a.a.O.). Somit ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. Kostenschuldner der Anwalt ist. Auf diese Auslagen ist Umsatzsteuer zu erheben, die der Anwalt dem Mandanten in Rechnung stellen muss.

Die Umsatzsteuerpflicht ergibt sich aus §...

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