Fraglich ist, wie bei einer ggf. erfolgreichen Beschwerde im Strafverfahren und einer zugunsten des Beschuldigten/Angeklagten ergangenen Entscheidung über die notwendigen Auslagen zu verfahren ist, insbesondere wie ein sich evtl. zugunsten des Beschuldigten ergebender Erstattungsbetrag zu ermitteln ist. Da die Verteidigertätigkeit im Beschwerdeverfahren mit den Verteidigergebühren abgegolten ist, ergeben sich keine nur auf das Beschwerdeverfahren entfallenden gesonderten Verteidigergebühren, die bei der Kostenfestsetzung als notwendige Auslagen zugunsten des Beschuldigten/Angeklagten zu berücksichtigen wären. Das bedeutet aber nicht, dass die Auslagenentscheidung ins Leere ginge. Vielmehr sind die notwendigen Auslagen für das Beschwerdeverfahren durch die sog. Differenztheorie zu ermitteln. Zu vergleichen sind die tatsächlich im gesamten Verfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens dem Beschuldigten/Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen mit den ohne Beschwerdeverfahren hypothetisch erwachsenen notwenigen Auslagen. Besteht zugunsten des Beschuldigten/Angeklagten zwischen den beiden Beträgen eine Differenz, ist diese dem Beschuldigten zu erstatten.[11]

 

Beispiel

Der im Ermittlungsverfahren tätige Verteidiger R legt auftragsgemäß für den Beschuldigten Beschwerde gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) ein. Diese hat Erfolg. Die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Beschwerdeverfahren werden der Staatskasse auferlegt. Nach rechtskräftiger Verurteilung des Beschuldigten will R die für das Beschwerdeverfahren angefallenen Gebühren gegenüber der Staatskasse abrechnen.

Zunächst ist zu ermitteln, welche (fiktive) Vergütung entstanden wäre, wenn ein Beschwerdeverfahren nicht erforderlich bzw. nicht durchgeführt geworden wäre. Hierbei soll von den Mittelgebühren ausgegangen werden:

 
Grundgebühr, Nr. 4100 VV 220,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV 181,50 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Anwaltsvergütung netto 421,50 EUR

Sodann ist die Vergütung zu ermitteln, die mit dem durchgeführten Beschwerdeverfahren entstanden ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass es bei der Grundgebühr Nr. 4100 VV bei der Mittelgebühr verbleibt und bei der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV, die das Beschwerdeverfahren mitabgilt, die Mittelgebühr um 25 % erhöht werden kann.

 
Grundgebühr, Nr. 4100 VV 220,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV 226,88 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Anwaltsvergütung netto 466,88 EUR

Der fiktive Betrag i.H.v. 421,00 EUR ist von den notwendigen Auslagen für das Ermittlungs- und Beschwerdeverfahren i.H.v. 466,88 EUR in Abzug zu bringen. Der Differenzbetrag i.H.v. 45,88 EUR ist dem Beschuldigten zu erstatten.

Es ist allerdings nicht zwingend, dass sich ein Erstattungsbetrag zugunsten des Beschuldigten/Angeklagten ergibt. Das ist nur der Fall, wenn die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren so umfangreich war, dass sich dadurch die Gebühren erhöht haben.[12] Auch stellt sich nicht selten die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, das Kostenfestsetzungsverfahren durchzuführen, da häufig nur sehr geringe Erstattungsbeträge anfallen.[13]

[11] Vgl. dazu auch Burhoff, RVGreport 2010, 362; Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 557 und zur Differenztheorie eingehend Teil A Rn 1532 ff. m.w.N. sowie ausführlich OLG Celle RVGreport 2016, 429 = Nds.Rpfl 2017, 18.
[12] Vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 559.
[13] Vgl. auch LG Detmold StRR 2008, 243 [Ls.] = VRR 2008, 243 [Ls.], wo nach einem erfolgreichen § 111a StPO-Verfahren das Überschreiten der Mittelgebühr der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV um 10 % als angemessen angesehen worden, was zu einem Erstattungsbetrag von (nur) 14,00 EUR geführt hat (s.a. noch Hanschke in der Anm. zu KG StRR 2012, 307).

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