[Ohne Titel]

In der Praxis tritt immer wieder die Frage auf, was Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens betreffend die Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung ist. Dies wird in diesem Beitrag anhand eines praktischen Falls erörtert, wobei auch auf die Problematik eingegangen wird, ob das Verschlechterungsverbot zum Nachteil des Rechtsanwalts gilt.

I. Der Fall des Thüringischen Landessozialgerichts

Das SG Gotha hatte der Klägerin PKH unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten bewilligt. Nach Beendigung des Rechtsstreits beantragte die Rechtsanwältin die Festsetzung der ihr aus der Landeskasse zustehenden Vergütung i.H.v. insgesamt 780,64 EUR. Dabei hat die Anwältin hinsichtlich der Verfahrens- und der Einigungsgebühr einen Betrag i.H.v. jeweils 200,00 EUR geltend gemacht. In ihrem Festsetzungsbeschluss hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG Gotha die Vergütung auf nur 423,64 EUR festgesetzt. Die Verfahrens- und die Einigungsgebühr hat die UdG jeweils nur i.H.v. 150,00 EUR berücksichtigt. Gegen diese Entscheidung hat die Rechtsanwältin Erinnerung mit folgender wörtlicher Formulierung eingelegt:

Zitat

"… den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Gotha vom 30.5.2018 teilweise aufzuheben und die aus der Staatskasse zu erstattende Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 200 EUR sowie die zu erstattende Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 200 EUR festzusetzen."

Das SG Gotha hat auf die Erinnerung zugunsten der Anwältin einen der Höhe nach in den Gründen des Beschlusses des Thür. LSG nicht mitgeteilten Betrag festgesetzt, der jedenfalls höher war als 542,64 EUR. Worauf die Absetzung des weitergehenden Betrags beruhte, wird in den Beschlussgründen nicht mitgeteilt. Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse die Festsetzung auf nur einen Betrag i.H.v. 542,64 EUR begehrt. Die Beschwerde der Landeskasse hatte beim Thür. LSG Erfolg.

II. Die Rechtsbehelfe im Festsetzungsverfahren

1. Erinnerung

Gegen die Entscheidung des UdG über den Festsetzungsantrag ist sowohl für den beigeordneten Rechtsanwalt als auch für die – im Regelfall durch den Bezirksrevisor vertretene – Staatskasse die unbefristete – Erinnerung gegeben.

Hinsichtlich des Verfahrens über die Erinnerung verweist § 56 Abs. 2 S. 1 HS 1 RVG auf die dort im einzelnen erwähnten Verfahrensvorschriften des § 33 RVG betreffend die Rechtshelfe im Verfahren auf Festsetzung des Gegenstandswertes. Über diese Erinnerung entscheidet nach § 56 Abs. 1 S. 1 RVG das Gericht des Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgt ist. Dies gilt über den eigentlichen Wortlaut der vorgenannten Vorschrift hinaus nicht nur für die gegen die Festsetzung der Vergütung seitens des UdG gerichtete Erinnerung, sondern auch gegen die vom UdG beschlossene (vollständige) Absetzung der begehrten PKH-Anwaltsvergütung. Im Fall des Thür. LSG war demzufolge zur Entscheidung über die Erinnerung der beigeordneten Rechtsanwältin gegen die teilweise Zurückweisung ihres Festsetzungsantrags seitens der UdG des SG Gotha der Richter des SG Gotha zuständig.

2. Beschwerde

Gegen die Entscheidung des Erstgerichts über die Erinnerung ist gem. § 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG die Beschwerde gegeben, für die die Verfahrensvorschriften des § 33 Abs. 3 bis 8 RVG betreffend die Festsetzung des Gegenstandswertes entsprechend gelten. Somit ist bspw. die Beschwerde entsprechend § 33 Ab. 3 S. 1 RVG nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder entsprechend § 33 Abs. 3 S. 2 RVG auch dann zulässig, wenn das Erstgericht in seiner angefochtenen Entscheidung die Beschwerde zugelassen hat. Entsprechend § 33 Abs. 4 S. 2 RVG ist das Beschwerdegericht das nächsthöhere Gericht. Dies war im vorliegenden Fall das Thür. LSG.

3. Weitere Beschwerde

Im Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung ist unter besonderen Voraussetzungen gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts auch die weitere Beschwerde gegeben. Dies ist entsprechend § 33 Abs. 6 S. 1 RVG dann der Fall, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden hat und wenn es in seinem Beschluss die weitere Beschwerde zugelassen hat. In diesem Fall hat über die weitere Beschwerde das OLG zu entscheiden.

Im Fall des Thür. LSG war eine weitere Beschwerde, selbst wenn das Thür. LSG sie zugelassen hätte, was hier nicht der Fall war, nicht statthaft. Denn entsprechend § 33 Abs. 4 S. 3 RVG ist eine (weitere) Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes – das wäre hier das im Instanzenzug nächsthöhere BSG – nicht gegeben.

III. Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens

1. Grundsatz

Nach Auffassung des Thür. LSG[1] im vorliegenden Fall ist Gegenstand des Erinnerungs- und des Beschwerdeverfahrens nach § 56 RVG grds. die gesamte "Kostenfestsetzung" (gemeint ist die Festsetzung der PKH- Anwaltsvergütung) und nicht nur die einzelne Gebühr. Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens betreffend die Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung ist folglich der gesamte festgesetzte bzw. abgesetzte Vergütungsbetrag und nicht nur der in der Erinnerung bzw. in der Beschwerdeschrift ausdrücklich aufgeführte Gebühren- oder Auslagenbetrag. Der Sache nach ist also der mit dem Rechtsbehelf befasste UdG...

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