I. Die Klage ist zulässig und hinsichtlich des Klageantrags Ziff. 1 begründet (dazu 1.). Die Widerklage ist zulässig, aber nicht begründet (dazu 2.).

1. Die Klage ist hinsichtlich des Anspruchs auf Freistellung des Klägers von der Forderung seines Rechtsanwalts bezüglich der Kostenrechnung v. 13.8.2019 i.H.v. 481,95 EUR begründet.

Die Beklagte ist unter den gegebenen Umständen nicht berechtigt, den dem Kläger gewährten Deckungsschutz mit dem Argument eines "mutwillig" abgeschlossenen Vergleichs einseitig teilweise wieder zu entziehen. Die Rechtsauffassung der Beklagten findet in den maßgeblichen Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2012) keine hinreichende Grundlage.

Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss, wobei es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen ankommt (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urt. v. 14.6.2017 – IV ZR 161/16).

Soweit die Beklagte auf die Regelung in § 3a Abs. (1) ARB 2012 hingewiesen hat, nach der der Versicherer den Rechtsschutz ablehnen kann, wenn seiner Auffassung nach die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen a) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder b) mutwillig ist, ist diese Regelung in Anlehnung an die die Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffende Vorschrift des § 114 ZPO zu verstehen.

Diese Regelung gibt dem Versicherer daher zwar die Möglichkeit, die Gewährung von Rechtsschutz unter den genannten Voraussetzungen von Anfang an abzulehnen. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte vorliegend aber keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr hat sie dem Kläger zunächst eine Deckungszusage für das außergerichtliche Verfahren und in der weiteren Folge eine Deckungszusage für das gerichtliche Verfahren I. Instanz erteilt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers weder für aussichtslos noch für mutwillig gehalten hat.

Der Regelung in § 3a Abs. (1) ARB 2012 lässt sich hingegen weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die Berechtigung der Beklagten entnehmen, einen bereits gewährten Deckungsschutz im Nachhinein einseitig ganz oder teilweise wieder zu entziehen.

Soweit die Rechtsschutzversicherungsbedingungen in § 5 Abs. (3) b) ARB 2012 eine Regelung enthalten, wonach der Versicherer nicht Kosten trägt, die bei einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, hat die Beklagte selbst erklärt, dass sie sich nicht auf diese Regelung beruft. Insoweit hatte der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass die im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs erfolgte Kostenverteilung (92 % ./. 8 %) genau dem Anteil des Obsiegens zum Unterliegen entsprach.

Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger habe mit dem Abschluss des "mutwilligen" Vergleichs Obliegenheiten nach Eintritt des Rechtsschutzfalles i.S.v. § 17 Abs. (1) bzw. (5) ARB 2012 verletzt, lässt sich auch den dortigen Regelungen nicht hinreichend deutlich entnehmen, dass der Kläger vor dem Abschluss des Vergleiches die Zustimmung der Beklagten hätte einholen müssen oder den Vergleich nur widerruflich hätte abschließen dürfen. Ausdrücklich erwähnt ist in diesen Regelungen lediglich das Erfordernis der Abstimmung mit dem Versicherer im Falle von Kosten auslösenden Maßnahmen insbesondere vor der Erhebung und Abwehr von Klagen sowie vor der Einlegung von Rechtsmitteln, nicht aber vor dem Abschluss eines Vergleiches. Ferner ist dort lediglich geregelt, dass der Versicherungsnehmer für die Minderung des Schadens zu sorgen habe, was bedeute, dass die Rechtsverfolgungskosten so gering wie möglich gehalten werden sollen; von mehreren möglichen Vorgehensweisen habe der Versicherungsnehmer die kostengünstigste zu wählen. Nicht ausdrücklich geregelt ist dort aber, dass gerichtliche Vergleiche nur unter bestimmten Bedingungen oder nur mit Zustimmung der Beklagten abgeschlossen werden dürfen.

Ferner kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg geltend machen, die im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs entstehenden Kosten seien für die Interessenwahrnehmung nicht mehr erforderlich, da der Kläger aufgrund seines Einverständnisses zu dem Vergleich seine ursprüngliche Interessenwahrnehmung wegen der Erkenntnis fehlender Erfolgsaussichten faktisch aufgegeben habe. Zutreffend ist zwar, dass der Versicherer gem. § 1 ARB 2012 die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten "erforderlichen" Leistungen im vereinbarten Umfang (Rechtsschutz) erbringt. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit gilt im Bereich der Rechtsschutzversicherung jedoch ein großzügiger Maßstab. Zwar sind nur die objektiv notwendigen Kosten...

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