Ein wesentlicher Grund dafür, dass Verteidiger eher selten eigene Ermittlungen anstellen, ist das für den Mandanten bestehende Kostenrisiko. Denn nach h.M. werden die durch eigene Ermittlungen verursachten Kosten grds. nicht erstattet. Diese werden i.d.R. als nicht notwendig i.S.d. §§ 467, 464a StPO angesehen, da die StPO dem Beschuldigten die Möglichkeit gebe, bei den Ermittlungsbehörden Beweiserhebungen anzuregen oder zu beantragen.[4] So wird sowohl im Straf- als auch im Bußgeldverfahren argumentiert.[5]

Diese Rspr. ist in der Lit. mit m.E. beachtlichen Argumenten und der Darstellung von Fallkonstellationen, in denen z.B. die Einschaltung eines Privatdetektivs für den Beschuldigten von "eminentem Interesse" sein kann, kritisiert worden.[6] Gegen die h.M. lässt sich einwenden, dass nicht einerseits die Kostenerstattung für eigene Ermittlungen mit dem Hinweis auf mögliche amtliche Ermittlungen verweigert werden kann, andererseits dann aber dem Beschuldigten ein Anspruch auf Durchführung der von ihm im Ermittlungsverfahren angeregten oder beantragten Beweiserhebungen nicht zustehen und er entsprechende Beweisanregungen grds. auch nicht durchsetzen können soll.[7] M.E. ist es dem Beschuldigten auch nicht zuzumuten, bis zur Hauptverhandlung zu warten und dann dort einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen.[8]

Im Hinblick auf die Rspr., die immer wieder auf den Amtsaufklärungsgrundsatz (§ 244 Abs. 2 StPO) verweist, sollte der Verteidiger nach Möglichkeit auf jeden Fall vor der Aufnahme eigener Ermittlungen (in Form der Einholung eines Sachverständigengutachtens) einen entsprechenden (Beweis-)Antrag bei der Staatsanwaltschaft und/oder dem Gericht stellen, damit ihm später nicht entgegengehalten werden kann, dass er ohne diesen "ohne Weiteres" die Ermittlungen veranlasst habe.[9]

[4] Vgl. u.a. KG StraFo 2012, 380 m. Anm. Burhoff, StRR 2012, 237; OLG Düsseldorf NStZ 1997, 511 für privat eingeholtes Sachverständigengutachten; OLG Hamm NJW 1968, 1537 für Detektivkosten; AGS 2013, 348 m. Anm. Burhoff, StRR 2013, 301 für Privatgutachten im Zivilverfahren; OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 127; OLGSt StPO § 138 Nr. 6, für Reisekosten des hiesigen Pflichtverteidigers in die Türkei und für die Kosten der Beauftragung eines dort ansässigen Rechtsanwalts; s.a. LG Essen, Beschl. v. 18.11.2019 – 52 Qs 42 Js 1435/18-33/19, DAR 2020, 155 (Bußgeldverfahren); Beschl. v. 19.7.2021 – 27 Qs 35/21, AGS 2021, 412 (anthropologisches Gutachten); LG Göttingen JurBüro 1997, 370; LG Mainz wistra 1995, 320 (Kosten eines Privatgutachtens); LG Oldenburg, Beschl. v. 17.1.2019 – 5 Qs 444/18, AGS 2020, 94 = JurBüro 2019, 309 = RVGreport 2019, 145; Beschl. v. 5.3.2022 – 5 Qs 108/20, AGS 2022, 272; LG Potsdam, Beschl. v. 5.6.2020 – 24 Qs 28/20, RVGreport 2020, 429; LG Schwerin StraFo 2002, 304 (Erstattung der Kosten der Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens in einem Missbrauchsfall); LG Zweibrücken, Beschl. v. 2.12.2020 – 1 Qs 33/20 (Bußgeldverfahren); Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464a Rn 16; auch noch Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 1336 ff.
[5] Vgl. die vorstehenden Zitate in Fn 4.
[6] Vgl. Jungfer, StV 1989, 499 ff. m.w.N.; König, StraFo 1996, 102; Eisenberg/Puschke, JR 2003, 436 in der Anm. zu OLG Stuttgart OLGSt StPO § 138 Nr. 6.; s.a. OLG Koblenz NStZ-RR 2000, 64 (Ls.); krit. zur h.M. auch Jakubetz, JurBüro 1999, 566, 569.
[7] Dazu Burhoff/Burhoff, EV, Rn 1190; auch OLG Brandenburg StV 1996, 615.
[8] So aber wohl LG Dresden NJW 2010, 692 (Ls.) für Einholung eins Sachverständigengutachtens zum Messverfahren im Bußgeldverfahren; LG Potsdam, Beschl. v. 5.6.2020 – 24 Qs 28/20, RVGreport 2020, 429; a.A. LG Hamburg VRR 2008, 237 m. Anm. Gübner für die Einholung eines Identitätsgutachtens im Bußgeldverfahren.
[9] Vgl. die Fallgestaltung bei LG Essen, Beschl. v. 19.7.2021 – 27 Qs 35/21, AGS 2021, 412 für ein anthropologisches Gutachten; LG Potsdam, Beschl. v. 5.6.2020 – 24 Qs 28/20, RVGreport 2020, 429; LG Saarbrücken StRR 2015, 231 m. Anm. Burhoff; LG Zweibrücken, Beschl. v. 2.12.2020 – 1 Qs 33/20 für das Bußgeldverfahren.

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