1. Notwendiger Anwaltswechsel

Die Entscheidung des OLG Brandenburg entspricht der seit längerem ganz herrschenden Rspr. Die Begründung erscheint etwas "schief". Nach Auffassung des OLG Brandenburg war hier der Anwaltswechsel nicht notwendig. Soweit sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt entnehmen lässt, hatte jedoch der Beklagte zuerst seinen eigenen Prozessbevollmächtigten bestellt, während die Kfz-Haftpflichtversicherung erst danach von ihrer Prozessführungsbefugnis Gebrauch gemacht und einen eigenen Rechtsanwalt für den Beklagten beauftragt hat. Wenn der Anwaltswechsel nicht notwendig gewesen ist, hätten die Kosten des "Versicherungsanwalts" nicht festgesetzt werden dürfen.

2. Notwendige Kosten

Diesem Dilemma entgeht man, wenn man für die Frage der Notwendigkeit der Kosten eines zweiten Anwalts auf die Vorschrift des § 91 Abs. 1 ZPO zurückgreift, wie es der BGH (AGS 2004, 188 = RVGreport 2004, 188 [Hansens] = zfs 2004, 379) getan hat. Nach Auffassung des BGH ist nämlich die Bestellung eines eigenen Anwalts bei Geltendmachung des Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftlichtversicherer und des Schadensersatzanspruch gegen den Halter oder Fahrer des versicherten Fahrzeugs in einem gemeinsamen Rechtsstreit nicht notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO. Die hierdurch angefallenen Mehrkosten sind deshalb nicht erstattungsfähig, weil kein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwalts bestehe. Insoweit hat der BGH auf das Innenverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer verwiesen, wonach der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen hat. Hieraus ist zu folgern, dass für den Versicherungsnehmer ohne Weiteres kein Anlass besteht, einen eigenen Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Folglich kommt es auch nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer den eigenen Rechtsanwalt zeitlich früher bestellt hat als seine Kfz-Haftpflichtversicherung den eigenen Rechtsanwalt (s. KG JurBüro 2008, 480; BGH AGS 2004, 188 = RVGreport 2004, 188 [Hansens] = zfs 2004, 379).

Diese Argumentation gilt auch für den Fall, dass der Kläger nur den Fahrer/Halter des gegnerischen Fahrzeugs, nicht aber im Wege des Direktanspruchs auch die Kfz- Haftpflichtversicherung verklagt hat. Denn das Prozessführungsrecht der Kfz- Haftpflichtversicherung besteht unabhängig davon, ob die Versicherung Partei des Rechtsstreits geworden ist oder nicht.

3. Streit zwischen Versicherungsnehmer und Versicherung unbeachtlich

Erstattungsrechtlich unbeachtlich ist auch ein etwaiger Streit zwischen dem beklagten Versicherungsnehmer und seiner Kfz-Haftpflichtversicherung über die Notwendigkeit oder die Angemessenheit einer Schadensersatzleistung des Versicherers, die möglicherweise die Rückstufung des Versicherungsnehmers zur Folge hat. Dies hat der BGH (a.a.O.) damit begründet, dass dieser Streit im Prozess des Geschädigten gegen den Versicherer und den Versicherungsnehmer nicht geklärt werden könne. Dieser Streit sei vielmehr in einem gesonderten Rechtsstreit auszutragen (OLG Hamm JurBüro 1990, 1480).

4. Verfahrensweise des Prozessbevollmächtigten

Wird ein Rechtsanwalt von dem im Kfz-Haftpflichtprozess beklagten Mandanten mit der Prozessführung beauftragt, sollte er dringend und nachweisbar den Mandanten darüber belehren, dass er im Innenverhältnis die Prozessführung seiner Kfz-Haftpflichtversicherung zu überlassen hat. Für den Fall, der der Regelfall ist, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung von ihrem Prozessführungsrecht Gebrauch macht und einen eigenen Rechtsanwalt bestellt, seien die in seiner Person angefallenen Anwaltskosten grds. nicht erstattungsfähig.

5. Exkurs: Gesonderte Rechtsverteidigung des bedürftigen Versicherungsnehmers mutwillig

Vergleichbar wie im Rahmen der Kostenerstattung beurteilt sich die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 114 Abs. 2 ZPO, wenn im Kfz-Haftpflichtprozess neben dem bedürftigen Fahrer/Halter zugleich auch der Kfz-Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen wird. Dieser ist nach den AKB zur Führung des Rechtsstreits für die versicherten Personen, zu denen auch der Fahrer gehört, und zur Beauftragung eines Rechtsanwalts in deren Namen berechtigt. Die gesonderte Verteidigung des Fahrers/Halters des Fahrzeugs durch einen eigenen Prozessbevollmächtigten ist deshalb grds. mutwillig i.S.v. § 114 Abs. 2 ZPO (OLG Brandenburg RVGreport 2019, 156 [Hansens] = zfs 2019, 167 m. Anm. Hansens). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn dem Fahrer/Halter des Fahrzeugs die Vertretung durch den von der Kfz-Haftpflichtversicherung bestellten Prozessbevollmächtigten nicht zumutbar ist. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn die Vertrauensgrundlage fehlt oder ein Interessenkonflikt beseht (OLG Köln NJW-RR 2004, 1550). Ein solcher Ausnahmefall wird in der Praxis kaum einmal vorliegen.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 5/2023, S. 224 - 226

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