Mit dem Bürgergeld-Gesetz v. 16.12.2022 (BGBl. I, 2328 ff.) wurde in § 90 Abs. 2 SGB XII die neue Nr. 10 ab 1.1.2023 wie folgt angefügt: "10. eines angemessenen Kraftfahrzeuges.".

Bisher gab es in der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe keine gesetzliche Regelung, bis zu welchem Verkehrswert ein Kraftfahrzeug zum geschützten Vermögen der Hilfe suchenden Partei gehört. Die bisherige Rspr. (BSG NJW 2008, 2281 ff.) hat hier bereits schon einen Verkehrswert i.H.v. 7.500,00 EUR als angemessene Grenze betrachtet. Zur Ermittlung dieses Wertes wurden § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II a.F., § 5 Abs. 1 KfzHV (Kraftfahrzeughilfe-Verordnung) herangezogen, die für die Förderung zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges für behinderte Menschen einen Höchstbetrag bis zu 9.500,00 EUR vorsahen. Da sich die Leistungen des SGB II jedoch an den unteren 20 % der Haushalte in der Einkommens- und Verbrauchstichprobe orientieren, wurde ein entsprechender Abschlag i.H.v. ca. 20 % vorgenommen. Es wurde und wird daher bisher von einem Grenzwert des angemessenen Verkehrswertes i.H.v. 7.500,00 EUR ausgegangen (BSG, a.a.O.; OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.2.2023 – 13 WF 12/23; OLG Hamm MDR 2013, 1367 f.; Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 95). Nach der Lit. (Schultzky, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., 2022, § 115 Rn 75) sind andere als in § 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII geschützte Kraftfahrzeuge dann einzusetzen, wenn das Vermögen insgesamt die Freigrenze des Vermögensschonbetrages gem. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII übersteigt. Auch in vielen früheren Entscheidungen lagen die Verkehrswerte eines Kraftfahrzeuges, die als verwertbar eingestuft worden sind, über 7.500,00 EUR (so z.B. VGH München, Beschl. v. 8.2.2016 – 11 C 15.2611: Wert von 22.000,00 EUR, LAG Mainz, Beschl. v. 13.9.2012 – 3 Ta 144/12: Wert von 15.000,00 EUR).

In § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII wurde nunmehr ein "angemessenes Kraftfahrzeug" ausdrücklich in den Katalog des Schonvermögens aufgenommen, jedoch verzichtet dieser genau wie § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in seiner Neuregelung ab 1.1.2023 auf die Angabe eines konkreten Wertes. Während in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II die Angemessenheit vermutet wird, wenn die Antragstellerin dies im Antrag erklärt, enthält § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII hingegen diese Vermutungsregelung nicht (so auch Neumann, in: jurisPR-SozR 2/2023, Anm. 1) und diese Vermutungsregelung aus dem SGB II darf nicht auf die Sozialhilfe übertragen werden (Prof. Dr. Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, 3. Ergänzungslieferung 2023, § 90 Rn 158).

Um den "angemessenen" Verkehrswert zu ermitteln, orientiert sich die vorliegende Entscheidung dabei an der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 90 SGB XII ab 1.1.2023. Dort wird ausgeführt, dass künftig zur erheblichen Verwaltungsvereinfachung keine Einzelfallprüfung bei der grundsätzlichen Gestattung eines Kraftfahrzeuges mehr vorgenommen werden muss und davon auszugehen ist, dass ein Kraftfahrzeug, welches einen Verkehrswert von 7.500,00 EUR nicht überschreitet, angemessen ist (BT-Drucks 20/3873, 115). Es wird weiter auf die vor Inkrafttreten des § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII vorliegende Rechtslage (z.B. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.2.2021 – 6 WF 32/21 u.a.) verwiesen.

In der vorliegenden Angelegenheit wurde der Wert des Fahrzeuges mit "ca. 18.000,00 EUR" angegeben. Dieser überschreitet den angemessenen Verkehrswert i.H.v. 7.500,00 EUR deutlich. Damit ist das Kraftfahrzeug vorliegend grds. nicht angemessen und damit zu verwerten.

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