Leitsatz (amtlich)

1. Verfahrenskostenhilferechtlich i.S. des § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII n.F. angemessen ist ein Kraftfahrzeug, das einen Verkehrwert von 7.500 EUR nicht überschreitet.

2. Der diese Grenze übersteigende Betrag des Verkehrswerts des Kraftfahrzeugs ist sodann zunächst zur Auffüllung des maßgeblichen Vermögensfreibetrages nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, der seit dem 1. Januar 2023 10.000 EUR beträgt (§ 1 S. 1 Nr. 1 der DurchführungsVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII n.F.), heranzuziehen.

 

Normenkette

DVO § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XII § 90 Abs. 2 Nrn. 9-10; ZPO § 115 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Homburg (Beschluss vom 27.12.2022; Aktenzeichen 17 F 256/22 EAGS)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 27. Dezember 2022 - 17 F 256/22 EAGS - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2, §§ 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Das Familiengericht hat der Antragstellerin die beantragte Verfahrenskostenhilfe im Ergebnis zu Recht verweigert, weil diese über Vermögen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO) verfügt, das vorrangig für die Verfahrenskosten zu verwenden ist.

Zwar zählt nach der mit Wirkung zum 1. Januar 2023 erfolgten Ergänzung des § 90 Abs. 2 SGB XII durch das Bürgergeld-Gesetz vom 16. Dezember 2022 (BGBl. I, S. 2328) ein angemessenes Kraftfahrzeug jetzt ausdrücklich zu dem verfahrenskostenhilferechtlich geschützten Schonvermögen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII). Angemessen in diesem Sinne ist nach der Gesetzesbegründung ein Kraftfahrzeug, das einen Verkehrswert von 7.500 EUR nicht überschreitet (BT-Drucks. 20/3873, S. 117; ebenso bereits für die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2021 - 6 WF 32/21 -, vom 10. Juli 2020 - 6 WF 104/20 - und vom 4. Juni 2020 - 6 UF 50/20 - jeweils m.w.N.). Der Verkehrswert des Kraftfahrzeugs der Antragstellerin (Audi A1, Baujahr 2019) wird indes in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit "ca. 18.000 EUR" mitgeteilt. Das Kraftfahrzeug gehört daher nicht zum Schonvermögen und ist grundsätzlich zu verwerten, um mit dem Erlös die Verfahrenskosten zu bestreiten.

Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin den die Angemessenheitsgrenze übersteigenden Betrag des Verkehrswerts dem verfahrenskostenhilferechtlich maßgeblichen Vermögensfreibetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, der aufgrund der Änderung von § 1 S. 1 Nr. 1 der DurchführungsVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII durch Art. 9 des Bürgergeld-Gesetzes ab dem 1. Januar 2023 10.000 EUR beträgt, zuordnet (vgl. BT-Drucks. a.a.O.), verbleibt ein für die Verfahrenskosten zu verwendendes und zu deren Deckung auskömmliches Vermögen von - jedenfalls - mehr als 5.000 EUR im Hinblick auf das mit 5.300 EUR angegebene Guthaben auf dem Girokonto der Antragstellerin bei der KSK.

Besondere Umstände, aufgrund deren der Antragstellerin die Verwertung ihres Kraftfahrzeugs unzumutbar wäre, werden mit der Beschwerde nicht aufgezeigt. Die Antragstellerin legt nicht dar, weshalb sie für die Fahrt zur Universitätsklinik H, an der sie nach ihrem (nicht belegten) Vortrag derzeit eine berufliche Fortbildungsmaßnahme besucht, oder zu ihrer neuen, für die Zeit ab dem 1. April 2023 in Aussicht befindlichen Arbeitsstelle (wobei weder das behauptete "definitive Stellenangebot" konkretisiert noch der künftige Beschäftigungsort mitgeteilt wird) gerade auf ihr jetziges Kraftfahrzeug angewiesen ist und nicht etwa ein kostengünstigerer Wagen ausreichend wäre.

Auch die Behauptung, ein Verkauf des Kraftfahrzeugs und eine Ersatzbeschaffung seien nicht ohne finanziellen Verlust möglich, wird - ungeachtet der Frage, bis zu welcher Höhe ein etwaiger Verlust der Antragstellerin zuzumuten wäre - nicht näher ausgeführt und belegt, etwa durch Vorlage von Inseraten für dem jetzigen Wagen vergleichbare Fahrzeuge in einschlägigen Internetportalen. Die von der Beschwerde angeführte Mangellage auf dem Gebrauchtwagenmarkt spricht eher gegen die Annahme, ein Verkauf sei nur mit einem nennenswerten Abschlag auf den Verkehrswert möglich.

Der Kostenausspruch beruht auf § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15641800

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