RVG § 5;StPO § 142 Abs. 1;RVG V V Nrn. 4101, 4106

Leitsatz

  1. Der Vorsitzende kann dem Angeklagten für einen Hauptverhandlungstermin einen Verteidiger als Vertreter des zunächst bestellten Verteidigers beiordnen.
  2. Ob eine Bestellung zum Vertreter oder zum weiteren Verteidiger vorliegt, richtet sich in erster Linie nach dem Wortlaut der Verfügung. Jedoch liegt dann eine Bestellung zum weiteren Verteidiger vor, wenn der zweite Verteidiger aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls gehalten ist, sich über die bloße Wahrnehmung des Termins hinaus umfassend in den Verfahrensstoff einzuarbeiten und/oder eine aufwändige, den Termin vorbereitende Tätigkeit zu entfalten.
  3. Bei Vertretung fällt insgesamt lediglich eine Terminsgebühr an. Dem zweiten Verteidiger stehen darüber hinaus die Grundgebühr und gegebenenfalls die Terminsgebühr sowie die Kostenpauschale zu.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.2.2011 – 4 Ws 195/10

1 Sachverhalt

Vor der großen Strafkammer des LG fand in der Zeit vom 23.3.2010 bis zum 13.4.2010 an insgesamt fünf Tagen die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten statt. Er wurde am letztgenannten Termin zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Vorsitzende der Strafkammer hatte ihm Rechtsanwalt A als Verteidiger beigeordnet. Wegen dessen Verhinderung am 13.4.2010 bestellte er am 1.4.2010 den Beschwerdeführer zum Verteidiger "für den Hauptverhandlungstermin am 13.4.2010".

Später beantragte der Beschwerdeführer, ihm über die Terminsgebühren nach Nrn. 4114 und 4117 VV hinaus eine Grund- und eine Verhandlungsgebühr nach den Nrn. 4100 u. 4112 VV sowie die Kostenpauschale von 20,00 EUR (Nr. 7002 VV) zu gewähren. Die Rechtspflegerin setzte lediglich eine Vergütung in Höhe von 385,56 EUR fest, da der Beschwerdeführer als Vertreter für Rechtsanwalt A aufgetreten sei, so dass weder eine Grund- und Verfahrensgebühr noch eine Kostenpauschale angefallen sei. Statt der Terminsgebühr nach Nr. 4117 VV sei lediglich eine solche nach Nr. 4116 VV zu bewilligen, da die Hauptverhandlung genau acht Stunden und nicht länger gedauert habe.

Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer "Beschwerde" eingelegt, die er darauf stützt, dass nach der Rspr. verschiedener OLG in diesen Fällen auch die Grund- und die Verfahrensgebühr und die Kostenpauschale angefallen seien. Im Übrigen habe die Hauptverhandlung länger als acht Stunden angedauert. Die Bezirksrevisorin hält ebenso wie die Rechtspflegerin lediglich die Zahlung von Terminsgebühren für gerechtfertigt. Die Strafkammer hat durch Beschluss des Einzelrichters die Erinnerung als unbegründet verworfen. Es sei in der Rspr. umstritten, ob neben der Terminsgebühr weitere Gebühren anfielen. Da im vorliegenden Verfahren, dessen Abschluss unmittelbar bevorgestanden habe, keine eingehende Einarbeitung des Verteidigers erforderlich gewesen sei, seien lediglich Terminsgebühren in Ansatz zu bringen. Das Plädoyer, welches der Beschwerdeführer gehalten habe, sei von seinem Kollegen vorgefertigt gewesen. Im Übrigen habe die Hauptverhandlung wie aus dem Protokoll ersichtlich genau acht Stunden gedauert.

Der Beschwerdeführer hat gegen den Beschluss des LG "weitere Beschwerde" eingelegt. Er hält unter Berufung auf Entscheidungen der OLG Köln und Düsseldorf die Festsetzung auch einer Grund- und einer Verfahrensgebühr sowie der Kostenpauschale für gerechtfertigt. Das Plädoyer, das er gehalten habe, sei nicht vorgefertigt gewesen. Sein Kollege habe ihn mit der Übergabe der Akte lediglich in das Verfahren eingewiesen. Hinsichtlich der Dauer der Verhandlung berufe er sich auf mitverteidigende Kollegen.

Die Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg, nachdem der Einzelrichter der Beschwerde nicht abgeholfen hat.

2 Aus den Gründen

Dem Beschwerdeführer stehen neben den Terminsgebühren eine Grundgebühr sowie eine Verfahrensgebühr und darüber hinaus auch die Kostenpauschale nach Nr. 7002 VV zu.

a) Die Frage, ob dem Verteidiger, der lediglich für einen von mehreren Hauptverhandlungsterminen bestellt worden ist, über die Terminsgebühr hinaus weitere Gebühren (Grundgebühr, Verfahrensgebühr) zuzubilligen sind, wird in der Rspr. der Oberlandesgerichte nicht einheitlich beurteilt. Auf der einen Seite wird darauf hingewiesen, es sei allgemein anerkannt, dass sich der bestellte Verteidiger bei vorübergehender Verhinderung mit Genehmigung des Gerichts durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen könne. Dann müsse dem Gericht auch die Möglichkeit offen stehen, den Vertreter nur für den Zeitraum der Abwesenheit des Beistandes beizuordnen. Der Anspruch des Vertreters könne aber nicht höher sein, als er wäre, wenn der Rechtsanwalt ohne Beiordnung als Vertreter des Beistandes aufgetreten wäre (KG NStZ-RR 2005, 327 [= AGS 2006, 177]). Die Grund- und die Verfahrensgebühr fielen nach der Systematik des RVG nur einmal an, so dass der Verteidiger, der vertretungsweise nur einen Termin wahrgenommen habe, diese Gebühren nicht erhalte (OLG Hamm v. 28.11.2006 – 3 Ws 569/06). Der als Vertreter fungierende Verteidiger könne nicht mehr Gebühren erhalten als der Verteidiger, den er vertrete...

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