Nach anderer, vom OLG Karlsruhe für zutreffend erachteter Auffassung, beschränke sich der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasse alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2008, 2935 = AGS 2008, 488; s. auch OLG Bamberg NStZ-RR 2011, 223; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2008 – 1 Ws 318/08; OLG Hamm, Beschl. v. 23.3.2006 – 3 Ws 586/05, AGS 2007, 37; OLG Jena, Beschl. v. 14.4.2021 – (S) AR 62/20, AGS 2021, 394; OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2010 – 2 Ws 129/10, AGS 2011, 286; OLG München, a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Denn dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen gerichtlichen Termin beigeordneten Verteidiger sei für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidigung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidigerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung eines Verteidigers lediglich als "Vertreter" des bereits bestellten Verteidigers sehe die StPO nicht vor. Dies folge bereits daraus, dass der bestellte Verteidiger eine Untervollmacht für die Verteidigung des Angeklagten einem anderen Rechtsanwalt nicht erteilen könne, auch nicht mit Zustimmung des Gerichts, weil die Bestellung zum Verteidiger auf seine Person beschränkt sei (vgl. BGH StV 1981, 393; StV 2011, 650 und Beschl. v. 15.1.2014 – 4 StR 346/13). Eine solche Vertretung in der Verteidigung sei nur dem entweder amtlich (§ 53 Abs. 2 S. 3 BRAO) oder vom Verteidiger selbst (§ 53 Abs. 2 S. 1 oder 2 BRAO) bestellten allgemeinen Vertreter des Pflichtverteidigers möglich (BGH, a.a.O.). Durch die Beiordnung eines Verteidigers für die Wahrnehmung eines Termins anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers werde vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer seiner Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen habe. Eine solche umfassende, eigenverantwortliche Verteidigung setze auch eine Einarbeitung in den Fall voraus, ohne die eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich sei. Gerade für diese erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall entstehe aber die Grundgebühr. Eine Unterscheidung danach, welchen Aufwand diese Einarbeitung im Einzelfall erfordere (so das OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.2.2011 – 4 Ws 195/10, NJOZ 2012, 213 = AGS 2011, 224) verbiete sich schon deshalb, weil es sich bei den Gebühren des Pflichtverteidigers um Festgebühren handelt, die grds. unabhängig von dem im Einzelfall erforderlichen Aufwand anfallen. Der Anspruch des wegen Verhinderung des zuvor bestellten Verteidigers (zeitlich beschränkt) bestellten weiteren Verteidigers scheitere auch nicht daran, dass die Gebühr aus Nrn. 4100/4101 VV pro Rechtsfall nur einmal entstehe und auf Seiten des ursprünglich bestellten Pflichtverteidigers bereits entstanden se; denn die Einmaligkeit der Gebühr pro Rechtsfall sei ausschließlich personen- und nicht verfahrensbezogen zu verstehen (vgl. BeckOK RVG/Knaudt, a.a.O., VV Vorbemerkung 4 Rn 20). Auch im Falle eines Pflichtverteidigerwechsels nach § 143a StPO stehe die Grundgebühr sowohl dem zunächst bestellten Pflichtverteidiger als auch dem an seiner Stelle bestellten neuen Pflichtverteidiger zu.

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