a) Schonvermögensbetrag

Gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 SGB XII hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Prüfung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse neben ihrem Einkommen ihr gesamtes zumutbares Vermögen einzusetzen. Eine gesetzliche Definition von Vermögen sieht § 115 ZPO dabei nicht vor. Durch den Verweis in Abs. 3 auf § 90 SGB XII sind die sozialrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden. Das Gericht ist hierbei jedoch nicht zwingend an die sozialrechtliche Auslegung der Begriffe gebunden (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 74).

Ein Zugriff auf das gesamte Vermögen wird jedoch nach dessen Verwertbarkeit und der Zumutbarkeit seines Einsatzes bewertet.

§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII schützt die hilfebedüftige Partei, indem ihr zunächst ein sog. Schonvermögensbetrag zu belassen ist. Die hierzu erlassene Durchführungsverordnung (Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 11.2.1988 (BGBl I, 150), zuletzt geändert durch Art. 1 V. v. 22.3.2017 (BGBl I, 519) und die hierin enthaltenen Regularien werden im Rahmen der Prüfung der Gewährung von VKH in der gerichtlichen Praxis aber als maßgeblich angesehen.

Hiernach kann die Antragsgegnerin gem. § 1 S. 1 Nr. 1 der genannten Durchführungs-Verordnung für sich und ihre hier im Nestmodell gemeinsam betreuten drei minderjährigen Kinder einen Schonvermögensbetrag i.H.v. insgesamt 6.500,00 EUR beanspruchen (Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 115 Rn 82).

b) Vermögensreservate

Gem. § 115 Abs. 3 ZPO hat die Antragsgegnerin über das oben genannte Schonvermögen jegliches sonstige Vermögen einzusetzen, das verwertbar und dessen Einsatz auch zumutbar ist (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 78). Die Bildung von sogenannten Vermögensreservaten zulasten der Staatskasse im Rahmen der VKH kann dabei grds. nicht erfolgen (OLG Braunschweig, Beschl. v. 3.1.2017 – 1 WF 279/16, Viefhues, jurisPR-FamR 21/2017 Anm. 7). Dies gilt beispielsweise für ein Bausparguthaben, das grds. zur Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen ist (KG JurBüro 2011, 376 f.; Beck OK-ZPO/Reichling, 43. Edition, 1.12.2021, § 115 Rn 83.3). Eine Ausnahme kommt hier nur in Betracht, wenn der Partei die vorzeitige Kündigung des Vertrages nicht zuzumuten ist, weil sie hierdurch unverhältnismäßig hohe Nachteile erleidet (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 81) oder es sich dabei um einen verbindlich fixierten, unabänderbaren Einsatz von Guthaben handelt (KG JurBüro 2011, 376 f.). Zweckgebundenes Vermögen, wie beispielsweise eine Lebensversicherung, die der Altersvorsorge dient und die bedürftige Partei ansonsten über keine oder keine angemessene Altersvorsorge verfügt, kann dagegen nicht verwendet werden. Das gleiche gilt auch für eine staatlich geförderte Altersvorsorge ("Riester-Rente", § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII).

Gebildete Rücklagen, deren geplante Verwendung die Antragsgegnerin jederzeit ändern und diesen Geldbetrag dann anderweitig einsetzen kann, sind dagegen nicht geschützt. Im vorliegenden Fall kann daher nur die bereits fällige Umsatzsteuerzahlung für das 3. Quartal 2021 i.H.v. 765,13 EUR abgesetzt werden. Die weiteren von der Antragsgegnerin vorgetragenen und auf "Reserve" gebildeten Einkommensteuervorauszahlungen für Dezember 2021 sowie die weiteren für das Jahr 2022 können hingegen nicht abgesetzt werden, da diese alle noch nicht fällig sind. Auch kann das Finanzamt diese Vorauszahlungen anpassen, wenn sie nicht mehr der Höhe für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich entsprechen werden, § 37 Abs. 3 S. 3 EStG. Die Antragsgegnerin dürfte bis zu den entsprechenden Zeitpunkten auch weitere Einkünfte erzielen. Beträge, die für nicht fällige Schulden zurückgehalten werden, sind für die Bestreitung von Prozesskosten zu verwenden (s. auch Schultzky, in: Zöller, ZPO, a.a.O., § 115 ZPO Rn 54; OLG Bremen FamRZ 2007, 1341 f.).

c) Unpfändbarkeit gewährter Corona-Soforthilfen

Das KG hat sich weiter vorliegend mit der Fragestellung befasst, ob die von der Antragsgegnerin gebildete Rücklage i.H.v. 5.000,00 EUR, die aus einer ihr gewährten Corona-Soforthilfe aus dem Programm des Landes B. i.H.v. insgesamt 14.000,00 EUR gewährt worden ist, als einzusetzender Vermögensbestandteil im Rahmen der VKH gilt.

Im Einklang mit der Rspr. des BGH (NJW 2021, 1322 ff.) sowie der einschlägigen Lit. (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 78; Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Aufl., 2022, Rn 368) sind nur solche Vermögensbestandteile einzusetzen, die als pfändbare Forderung einzustufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Forderung übertragbar ist, § 851 Abs. 1 ZPO. Gem. § 399 1. Alt. BGB, auf den § 851 ZPO verweist, kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhaltes erfolgen kann. Er erfasst damit zweckgebundene Forderungen, sowe...

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