1. Die Entscheidung ist m.E. falsch und es stellt sich mal wieder die Frage, warum sich die Gerichte mit der Festsetzung der zusätzlichen Gebühr Nr. 4142 VV so schwertun; man wird müde, immer wieder diese falschen Entscheidungen zu kommentieren. Aber, wenn man die Frage stellt, liegt die Antwort an sich auf der Hand. Es handelt sich bei der Nr. 4142 VV um eine Wertgebühr, die sich nach dem jeweiligen Gegenstandswert bemisst (§§ 13, 49 RVG). Und solche Gebühren werden eben von der Staatskasse ungern gezahlt. Immerhin geht es hier um 447,00 EUR für – aus Sicht des LG – Nichtstun des Verteidigers.

2. Falsch ist die Entscheidung des LG aus folgenden Gründen: Das LG zieht die Grenzen des Abgeltungsbereichs der Nr. 4142 VV zu eng. Es handelt sich um eine Verfahrensgebühr, die für jede Tätigkeit entsteht, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf die Einziehung erbringt (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4142 VV Rn 13 m.w.N. aus der Rspr.). Die Betonung liegt auf "jede", also auch für Beratungsleistungen. Und selbst, wenn man den Anwendungsbereich so eng zieht, wie es das LG tut und wie andere Gerichte es tun, hätte hier die Gebühr festgesetzt werden müssen. Denn es bestand für den Angeklagten Beratungsbedarf zumindest darüber, ob und wie ggfs. doch noch eine Einziehung erfolgen könnte. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag gestellt hat oder nicht, der Angeklagte hat einen Anspruch auf Beratung in jeder Hinsicht. Sein Beratungsbedarf hängt nicht davon ab, ob die Staatsanwaltschaft Anträge stellt und wie ggfs. das Gericht verfährt. Er hat ein Recht auf alle drohenden Maßnahmen hingewiesen und zu ihnen beraten zu werden. Und völlig vom Tisch war die Einziehung hier für den erst nach Anklageerhebung mandatierten/bestellten Verteidiger ja nun nicht, sondern hätte, worauf das LG zutreffend hinweist, ohne Weiteres wieder betrieben werden können. Zudem: Die Beschränkung/das Absehen von der Einziehung ist erst in der sog. Abschlussverfügung erfolgt. Die kennt der Beschuldigte aber nicht; er erfährt davon und von den Rechtsfolgen erst mit Zustellung der Anklage und nach Akteneinsicht des Verteidigers. Warum soll er dann keinen Beratungsbedarf haben? Er ist Laie und weiß mit dieser Verfahrensweise und den Folgen dieser Verfügung im Zweifel nicht umzugehen. Es ist Aufgabe des Verteidigers, ihn darüber aufzuklären. Schließlich: In der Hauptverhandlung hat zunächst das AG die Einziehung thematisiert und damit Tätigkeiten des Verteidigers im Hinblick auf Einziehung i.S.d. Nr. 4142 VV "provoziert".

Fazit: Was das LG hier mal wieder propagiert, ist eine Verteidigung in dem Bereich "Einziehung" zum Nulltarif, wie wir es mit der Erstattung der Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren kennen, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel vor dessen Begründung zurücknimmt. M.E. ein Unding.

3. Das LG hat, da die Konstellation vielfach vorkomme und nicht völlig geklärt sei, wegen der damit bejahten grundsätzlichen Bedeutung die weitere Beschwerde zum Strafsenat des OLG zugelassen (§ 56 Abs. 2 S. 1 mit § 33 Abs. 8 S. 2 RVG). Wir werden also ggfs. demnächst etwas zu der Frage hören. Hoffentlich Richtiges.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 4/2022, S. 174 - 175

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