So musste es ja enden

"So musste es ja kommen, so musste es ja enden", flüstert die Mutter von Katharina Blum[1] in das Mikrofon eines Skandalreporters.

An diese Worte muss man denken, wenn man die lange Geschichte und die Diskussionen in Rspr. und Lit. um die Wirksamkeit der 15-Minuten-Zeittaktklausel betrachtet.

In gewisser Weise kann es als später Triumph des 24. Senats des OLG Düsseldorf bezeichnet werden, dass nunmehr der BGH nach jahrelangem Zögern auch hier wieder ein klares Statement abgegeben hat, das mehr Klarheit im Recht der anwaltlichen Vergütungsvereinbarung herbeiführt.

Der 24. Senat[2] war lange Zeit das erste und auch einzige Gericht, das die Wirksamkeit dieser Zeittaktklausel in Zweifel gestellt hat. Der Senat wurde hierfür teilweise – auch vom Verfasser dieser Anmerkung – arg kritisiert[3] und von der Rspr. zunächst allenfalls relativierend begleitet.[4] Aber auch der BGH konnte sich dem OLG Düsseldorf zunächst nicht anschließen, sondern brachte in zwei Entscheidungen recht klar zum Ausdruck, dass es auf die Anwendung der Klausel im Einzelfall ankomme, eine Unwirksamkeit selbst aber schwerlich festzustellen sei.[5]

Getragen waren all diese Entscheidungen und Beurteilungen von der seinerzeit wohl geäußerten Hoffnung, dass alle Anwälte mit den Möglichkeiten dieser Klausel verantwortungsbewusst und zurückhaltend umgehen werden.

Allein die Hoffnung trog und der Wind drehte sich.

So stellte das LG Köln in einem dann auch rechtskräftig gewordenen Urteil fest, dass die Klausel auf Bedenken stößt.[6] Die Erfahrungen des 15. Senats des OLG München, wie sie sich in Rn 67 der Entscheidung v. 5.6.2019 nachlesen lassen, können – leider – nur bestätigt werden und manche Kanzleien nutzen die Klausel in der Tat exzessiv aus, indem sie Tätigkeiten von nur wenigen Sekunden oder wenigen Minuten als volle Viertelstunde abrechnen und hierbei erhebliche Honorare zu generieren verstehen.

Und so musste es nunmehr in der Tat so kommen, wie geschehen.

Der BGH sah sich aufgrund eines besonderen Extremfalles, den das OLG München dankenswerterweise zur Revision zugelassen hat, veranlasst, nunmehr tätig zu werden und dem Ruf "Karlsruhe locuta, causa finita" gerecht zu werden.

War schon die kluge Entscheidung des OLG München v. 5.6.2019 es wert, nicht nur von der Kernaussage her, sondern auch von der sorgfältigen Begründung her, als eine Sternstunde des Vergütungsrechts bezeichnet zu werden,[7] so wird man hier ohne Übertreibung von einer zweiten Sternstunde sprechen dürfen.

In den Entscheidungsgründen wird noch einmal alles zusammengetragen, was für und gegen eine Zeittaktklausel spricht, und es werden insbesondere die Missbrauchsmöglichkeiten aufgezeigt, von denen in der Vergangenheit ganz offensichtlich massiv Gebrauch gemacht wurde.

Es widerspricht nicht, sondern es entspricht den Interessen der Anwaltschaft, dass der BGH in den Entscheidungsgründen eine sorgsame Abwägung zwischen den Interessen des Anwalts an einer angemessenen und wirtschaftlich tragfähigen Vergütung und den Interessen des Mandanten vornimmt, nicht mit einer Gebührenforderung überzogen zu werden, die außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht.[8]

Hiermit wird man leben können. Grds. ist die faire und verantwortungsbewusste Abrechnung nach dem tatsächlichen Zeitaufwand die gerechteste, transparente und auch wirtschaftlichste Abrechnungsmethode für beide Mandatsparteien. Der Rechtsanwalt erhält – soweit nicht das gerichtliche Verfahren betroffen ist – unabhängig vom bisweilen nur zufälligen Gegenstandswert die Zeit bezahlt, die er für das Mandat einsetzt, und der Mandant bezahlt nur den Zeitaufwand, den der Rechtsanwalt auch aufzuwenden hat.

Hilfreich sind die in der BGH-Entscheidung auch zitierten Vorentscheidungen v. 4.2. und 21.10.2010, die auch durch die Entscheidung des OLG München ergänzt und vertieft wurden.

Wer die dortigen Hinweise beachtet, wird feststellen, dass Mandate zufriedenstellend auch beim Honorar abgeschlossen werden können.

Der hier zum Ausdruck gebrachte Dank an das OLG München für die Vorlage an den BGH ist allerdings auch auf den betroffenen Rechtsanwalt zu erweitern, der uneinsichtig genug war und die Hoffnung erfüllte, von der ihm gewährten Rechtsmittelmöglichkeit auch Gebrauch zu machen.[9]

Und auch in einem weiteren Punkt sind die Entscheidungen des OLG München und die jetzt ergangene Entscheidung des BGH begrüßenswert und hervorzuheben.

Nicht nur klare Aussagen zur 15-Minuten-Zeittaktklausel lassen sich dort vorfinden, sondern – nach Wahrnehmung des Verfassers dieser Anmerkung – wird erstmalig eine konkrete Fallgestaltung einer Prüfung durch die Regelung von § 4 Abs. 3 S. 2 RVG unterzogen.

Bislang führte diese Vorschrift, die entsprechend schon in § 3 BRAGO vorzufinden war, in Rspr. und Lit. nur ein Schattendasein, indem der Gesetzestext praktisch nur wiedergegeben wurde.[10]

Völlig zurecht wird es beanstandet, dass es sich der Rechtsanwalt bei der Vergütung für die Sekretärin bis zuletzt vorbehält, welchen Vergütungsmodus er in Ansatz...

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