BGB §§ 249, 280 Abs. 1, 675; VVG § 86 Abs. 1 S. 1; ARB 2000 § 17 Abs. 9

Leitsatz

  1. Ein Rechtsanwalt hat die Pflicht, keine kostenauslösenden Maßnahmen zu ergreifen, die nicht geeignet sind, den Rechten des Mandanten zur Durchsetzung zu verhelfen (hier: Einreichung eines Mahnantrags mit bewusst unrichtigen Angaben, sodass im anschließenden Klageverfahren die Berufung auf eine Hemmung der Verjährung als treuwidrig zurückgewiesen wird, vergleiche BGH, Urt. v. 23.6.2015 – XI ZR 536/14, Rn 19 ff.; Urt. v. 16.7.2015 – III ZR 238/14, Rn 18/23).
  2. Die Regulierung von Prozesskosten durch die Rechtsschutzversicherung ändert nichts daran, dass es sich bei den durch eine Pflichtwidrigkeit des Anwalts ausgelösten Kosten um einen in der Person des Versicherungsnehmers eingetretenen Vermögensschaden handelt.
  3. Das Vorbringen des Anwalts, der Mandant hätte sich bei ordnungsgemäßer Beratung ebenfalls für die zur Rechtsdurchsetzung ungeeigneten Schritte entschieden, ist als Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens grundsätzlich beachtlich.
  4. Der Einwand des Anwalts, dem Mandanten wären im Falle einer rechtzeitigen Klageerhebung (ohne vorgeschaltetes Mahnverfahren) ebenfalls Prozesskosten entstanden, weil die Klage in der Sache ohnehin abgewiesen worden wäre, ist von vorneherein unbeachtlich, weil er die Entstehung eines anderen Schadens betrifft.

OLG Bamberg, Urt. v. 20.11.2018 – 6 U 19/18

1 Sachverhalt

Die Klägerin ist Rechtsschutzversicherer und macht auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche ihres Versicherungsnehmers gegen den Beklagten geltend, der diesen als Rechtsanwalt vertreten hat.

Der bei der Klägerin rechtsschutzversicherte W. (im Folgenden: Versicherungsnehmer oder Mandant) beauftragte den Beklagten 2011 mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen die Z. AG und die X. AG im Zusammenhang mit dem "Fonds Nr. xx", dem er 1993 beigetreten war.

Kurz vor dem ihm bekannten Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2011 beantragte der Beklagte am 21.12.2011 einen Mahnbescheid gegen beide Anspruchsgegner, der die Rückzahlung der Beteiligungssumme am Fonds Nr. xx an den Versicherungsnehmer zum Gegenstand hatte. Im Antragsformular gab er bewusst wahrheitswidrig an, die Gegenleistung, von der der Anspruch abhänge, sei bereits erbracht. In der nach Zustellung des Mahnbescheids eingereichten Anspruchsbegründung beantragte der Beklagte, die beiden Anspruchsgegner zur Rückzahlung der Beteiligungssumme Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Beteiligung zu verurteilen. Das Verfahren gegen die X. AG wurde später abtrennt und vor dem LG Düsseldorf weitergeführt, das Verfahren gegen die Z. AG vor dem LG Coburg.

Beide Prozesse gingen verloren. Die Klage gegen die Z. AG wurde vom LG Coburg wegen Verjährung abgewiesen. Eine hiergegen gerichtete Berufung zum OLG Bamberg blieb erfolglos. Die Klage vor dem LG Düsseldorf nahm der Beklagte nach Erhebung der Verjährungseinrede wegen fehlender Erfolgsaussichten zurück. Für die Einleitung der gerichtlichen Schritte und für das Einlegen einer Berufung gegen das Urteil des LG Coburg hatte die Klägerin zuvor jeweils eine Deckungszusage erteilt.

Die Klägerin fordert den Ersatz entstandener Prozesskosten i.H.v. insgesamt 20.319,56 EUR.

Das LG hat der Klage i.H.v. 14.259,58 EUR stattgegeben. Es hat ausgeführt, der Beklagte habe seine Pflichten aus dem geschlossenen Anwaltsvertrag verletzt, indem er nicht hinreichend über Risiken aufgeklärt, das Gebot des sichersten Wegs verletzt und den Eintritt der Verjährung nicht verhindert habe. Auf den Ausgang des Schadensersatzprozesses bei rechtzeitiger Klage komme es nicht an, weil der Beklagte aufgrund seines eigenen Vortrags, eine Klageerhebung sei wegen der defizitären Informationspolitik des Versicherungsnehmers nicht möglich gewesen, diesem von jeglichem gerichtlichen Vorgehen hätte abraten müssen. Allerdings bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Kosten, die im Verfahren gegen die Z. AG in zweiter Instanz vor dem OLG Bamberg entstanden seien. Insoweit treffe die Klägerin, die trotz Kenntnis des erstinstanzlichen Urteils eine Deckungszusage erteilt habe, ein überwiegendes Mitverschulden nach § 254 BGB.

Die Klägerin und der Beklagte haben jeweils form- und fristgerecht Berufung gegen das Urteil des LG eingelegt.

Die Klägerin strebt eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und eine Verurteilung des Beklagten in voller Höhe an. Sie ist der Auffassung, eine Kürzung des Anspruchs wegen eines Mitverschuldens sei nicht gerechtfertigt.

Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen und begründet dies damit, es sei nicht zutreffend, dass eine Pflichtverletzung vorliege. Er habe davon ausgehen dürfen, dass eine wirksame Verjährungshemmung gegeben sei.

Dem Versicherungsnehmer sei aufgrund der Deckungszusage kein eigener Vermögensschaden entstanden.

Im Falle einer Klageerhebung hätte die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits ohnehin tragen müssen, weil eine Klage in der Sache nicht erfolgreich gewesen wäre.

Das LG habe nicht berücksichtigt, dass sich der Versicherung...

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