Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtsanwalt hat die Pflicht, keine kostenauslösenden Maßnahmen zu ergreifen, die nicht geeignet sind, den Rechten des Mandanten zur Durchsetzung zu verhelfen (hier: Einreichung eines Mahnantrags mit bewusst unrichtigen Angaben, so dass im anschließenden Klageverfahren die Berufung auf eine Hemmung der Verjährung als treuwidrig zurückgewiesen wird, vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2015 - XI ZR 536/14, Tz. 19 ff.; Urt. v. 16.07.2015 - III ZR 238/14, Tz. 18/23).

2. Die Regulierung von Prozesskosten durch die Rechtsschutzversicherung ändert nichts daran, dass es sich bei den durch eine Pflichtwidrigkeit des Anwalts ausgelösten Kosten um einen in der Person des Versicherungsnehmers eingetretenen Vermögensschaden handelt.

3. Das Vorbringen des Anwalts, der Mandant hätte sich bei ordnungsgemäßer Beratung ebenfalls für die zur Rechtsdurchsetzung ungeeigneten Schritte entschieden, ist als Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens grundsätzlich beachtlich.

4. Der Einwand des Anwalts, dem Mandanten wären im Falle einer rechtzeitigen Klageerhebung (ohne vorgeschaltetes Mahnverfahren) ebenfalls Prozesskosten entstanden, weil die Klage in der Sache ohnehin abgewiesen worden wäre, ist von vorneherein unbeachtlich, weil er die Entstehung eines anderen Schadens betrifft.

 

Normenkette

ARB 2000 § 17 Abs. 9; BGB §§ 249, 280 Abs. 1, § 675; VVG § 86 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 06.03.2018; Aktenzeichen 22 O 2199/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 06.03.2018, Az. 22 O 2199/16, abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.797,36 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem im jeweiligen Zeitraum gültigen Basiszinssatz seit dem 21.10.2016 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.100,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem im jeweiligen Zeitraum gültigen Basiszinssatz seit dem 10.01.2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 06.03.2018, Az. 22 O 2199/16, wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 1/8, der Beklagte 7/8.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist Rechtsschutzversicherer und macht auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche ihres Versicherungsnehmers gegen den Beklagten geltend, der diesen als Rechtsanwalt vertreten hat.

Der bei der Klägerin rechtsschutzversicherte W. (im Folgenden: Versicherungsnehmer oder Mandant) beauftragte den Beklagten 2011 mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen die Z. AG und die X. AG im Zusammenhang mit dem "Fonds Nr. xx", dem er 1993 beigetreten war.

Kurz vor dem ihm bekannten Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2011 beantragte der Beklagte am 21.12.2011 einen Mahnbescheid gegen beide Anspruchsgegner, der die Rückzahlung der Beteiligungssumme am Fonds Nr. xx an den Versicherungsnehmer zum Gegenstand hatte. Im Antragsformular gab er bewusst wahrheitswidrig an, die Gegenleistung, von der der Anspruch abhänge, sei bereits erbracht. In der nach Zustellung des Mahnbescheids eingereichten Anspruchsbegründung beantragte der Beklagte, die beiden Anspruchsgegner zur Rückzahlung der Beteiligungssumme Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Beteiligung zu verurteilen. Das Verfahren gegen die X. AG wurde später abtrennt und vor dem Landgericht Düsseldorf weitergeführt, das Verfahren gegen die Z. AG vor dem Landgericht Coburg.

Beide Prozesse gingen verloren. Die Klage gegen die Z. AG wurde vom Landgericht Coburg wegen Verjährung abgewiesen. Eine hiergegen gerichtete Berufung zum Oberlandesgericht Bamberg blieb erfolglos. Die Klage vor dem Landgericht Düsseldorf nahm der Beklagte nach Erhebung der Verjährungseinrede wegen fehlender Erfolgsaussichten zurück. Für die Einleitung der gerichtlichen Schritte und für das Einlegen einer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Coburg hatte die Klägerin zuvor jeweils eine Deckungszusage erteilt.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Klägerin fordert den Ersatz entstandener Prozesskosten in Höhe von insgesamt 20.319,56 EUR. Zur genauen Zusammensetzung dieses Betrags wird auf die Aufstellung auf Seite 15 im Schriftsatz der Klägerseite vom 10.05.2017 verwiesen (Bl. 58 d.A.).

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 14.259,58 EUR stattgegeben. Es hat ausgeführt, der Beklagte habe seine Pflichten aus dem geschlossenen Anwaltsvertrag verletzt, indem er nicht hinreichend über Risiken aufgeklärt, das Gebot des sichersten Wegs verletzt und den Eintritt der Verjährung nicht verhindert habe. Auf den Ausgang des Schadensersatzprozesses bei rechtzeitiger Klage komme es nicht an, weil der Beklagte aufgrund seines ...

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