Ein Ärgernis sind in der Praxis immer wieder nach Zeitabständen gestaffelte Wertfestsetzungen.

Regelmäßig wird in Zivilsachen nach Abschluss des Verfahrens der Streitwert nach Zeitabschnitten jeweils gesondert festgesetzt. Solche Fälle kommen insbesondere dann vor, wenn die Klage im Laufe des Verfahrens teilweise zurückgenommen oder teilweise erweitert und/oder das Verfahren in der Hauptsache teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Fragt man die Richter, weshalb sie eine gestaffelte Wertfestsetzung vornehmen, so erhält man in der Regel zur Antwort, das habe man immer schon so gemacht.

In der Tat gab es früher auch solche gestaffelten Wertfestsetzungen, weil für das gerichtliche Verfahren lediglich eine Gerichtsgebühr erhoben wurde und für das streitige Urteil später zwei weitere Gebühren anfielen. Es konnte also vorkommen, dass der Wert, nach dem sich die Verfahrensgebühr berechnete, einen höheren Wert hatte als die spätere "doppelte Urteilsgebühr". Seit 1994 gibt es in Zivilsachen grundsätzlich aber nur noch eine einzige Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen (siehe Nr. 1210 GKG-KostVerz.). Gestaffelte Wertfestsetzungen sind daher nicht nur falsch und überflüssig, sondern auch gefährlich.

Bereits ein Blick ins Gesetz zeigt, dass gestaffelte Wertfestsetzungen nicht zulässig sein können, da das Gesetz in § 63 Abs. 1 GKG dem Gericht aufgibt, den Streitwert (§ 3 Abs. 1 GKG) für die anfallende Gerichtsgebühr festzusetzen. Da aber nur eine einzige Gerichtsgebühr für das Verfahren erhoben wird und diese sich aus dem Gesamtwert aller im Laufe des Verfahrens anhängigen Gegenstände ermittelt (§ 39 Abs. 1 GKG), kann es für diese eine einzige Gebühr auch nur einen einzigen Wert geben, nach dem sie erhoben wird.

Nun wird häufig entgegnet, eine solche Wertfestsetzung sei aber auch nicht schädlich. Auch dies ist falsch, weil sie zu Unklarheiten und Missverständnissen führt.

 
Praxis-Beispiel

Das Gericht setzt den Streitwert bis zum 1.5. auf 5.000,00 EUR fest und für die Zeit danach auf 4.000,00 EUR.

Da weder die Gerichts- noch die Anwaltsgebühren nach Zeitabschnitten erhoben werden, müssen jetzt der Kostenbeamte und der Anwalt ermitteln, wie diese einzelnen Werte zusammenzurechnen sind.

Denkbar ist, dass an Stelle des ursprünglichen Streitgegenstandes von 5.000,00 EUR ein völlig neuer Streitgegenstand von 4.000,00 EUR eingeführt worden ist. Dann wäre zu addieren (§ 39 Abs. 1 GKG). Der Streitwert würde sich auf 9.000,00 EUR belaufen.

Möglich ist aber auch, dass die ursprüngliche Klage lediglich in Höhe von 1.000,00 EUR zurückgenommen worden ist. Dann wären die 4.000,00 EUR in den 5.000,00 EUR enthalten. Der Streitwert würde sich auf 5.000,00 EUR belaufen.

Dazwischen sind aber auch jede Menge andere Varianten möglich. Denkbar ist, dass die ursprüngliche Klage um 3.000,00 EUR zurückgenommen worden und gleichzeitig um weitere 2.000,00 EUR erweitert worden ist. Dann würde sich der Streitwert auf 5.000,00 EUR + 2.000,00 EUR = 7.000,00 EUR belaufen.

Die gestaffelte Wertfestsetzung hilft also in der Praxis nicht weiter.

Als "Rettungsversuch" wird dann noch das Argument herangezogen, für den Anwalt sei die gestaffelte Wertfestsetzung erforderlich, da er verschiedene Gebühren erhalte (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr und gegebenenfalls noch Einigungsgebühr) und diese gegebenenfalls auch zu unterschiedlichen Sätzen, so dass für seine Tätigkeit klargestellt werden müsse, für welchen Zeitraum welche Werte gelten.

Abgesehen davon, dass sich beim Anwalt dasselbe Problem stellt, da auch er nicht Gebühren nach Zeitabschnitten erhält, sondern nach dem Gesamtwert aller Gegenstände (§ 22 Abs. 1 RVG), nach dem die Gebühr ausgelöst worden ist, hat sich das Gericht für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit zunächst einmal nicht zu interessieren und darf dies auch gar nicht. Eine Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren ist nach § 33 RVG ausschließlich auf Antrag möglich und zwar nur im Verhältnis der Parteien des Wertfestsetzungsverfahrens. Im Gegensatz zu den Verfahren nach den Gerichtskostengesetzen findet nämlich im Verfahren nach § 33 RVG keine allgemein verbindliche Festsetzung statt, sondern nur eine solche, die "inter partes" wirkt.

Die gestaffelte Wertfestsetzung hat sich leider bis zu unseren höchsten Gerichten durchgesetzt. Dabei würden ein Blick ins Gesetz und erkennende Gedanken dazu so manches klären. Leider ist nicht zu erwarten, dass die Rechtsprechung von der gestaffelten Wertfestsetzung, die ja häufig auch noch zusätzlichen sinnlosen Arbeitsaufwand bedeutet, Abstand nimmt.

Der Anwalt sollte jedoch solchen Wertfestsetzungen kritisch gegenüberstehen und insbesondere prüfen, wie zutreffend zusammenzurechnen ist. Hier wird oftmals viel Geld verschenkt.

Norbert Schneider

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