§ 76 Abs. 1 FamFG; § 115 Abs. 3 ZPO; § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII; § 1 S. 1 Nr. 1 der DurchführungsVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII

Leitsatz

  1. Der Auszahlungsanspruch aus einem Lebensversicherungsvertrag ist unter Berücksichtigung des Schonvermögensbetrages im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe einzusetzendes Vermögen.
  2. Ob Verbindlichkeiten, die bereits zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Pflicht, die Verfahrenskosten zu tragen, vorhanden waren, mit dem Vermögen getilgt werden können, hängt davon ab, ob die Zurückstellung der Tilgung zuzumuten ist.
  3. Eine bloße Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Vermögen eine bestehende Verbindlichkeit zu tilgen, genügt hierbei nicht.

OLG Hamm, Beschl. v. 20.11.2023 – II-4 WF 126/23, 4 WF 126/23

I. Sachverhalt

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 16.3.2023 gegen den Beschluss des AG – FamG – Siegen – 15 F 587/20 vom 31.7.2023 – wird zurückgewiesen (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO).

Die Antragstellerin hat beim Familiengericht Verfahrenskostenhilfe (VKH) im Hauptsacheverfahren wegen Zahlung von Trennungsunterhalt beantragt. Das Familiengericht hat mit Beschl. v. 25.8.2020 hierfür VKH bewilligt.

Gem. § 120a ZPO forderte das AG die Antragstellerin durch Verfügung vom 26.6.2023 zur Vorlage einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf. Die Antragstellerin überreichte das entsprechend ausgefüllte Formular. Unter Abschnitt G ergab sich hieraus, dass u.a. ein Sparkonto mit einem Guthaben i.H.v. 14.060,19 EUR existierte. Hierzu überreichte die Antragstellerin eine Anlage, in der sie ausführte, dass es sich hierbei um ein Guthaben aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung handele. Dieses Guthaben sei zur Ablösung eines Immobiliendarlehens bestimmt. Zudem überreichte die Antragstellerin ein Schreiben der finanzierenden Bank, wonach das Darlehen zum 21.6.2023 i.H.v. 12.436,43 EUR valutiere und die Sollzinsbindung zum 1.7.2023 ende.

Das AG wies sodann darauf hin, dass es sich bei dem Guthaben aus der Lebensversicherung um einzusetzendes Vermögen handelt. Daraufhin hat die Antragstellerin nochmals darauf verwiesen, dass das Geld zur Ablösung des Baudarlehens benötigt werde, zudem bestünden auch noch andere Verbindlichkeiten.

Im weiteren Verlauf hat das AG die Bewilligung der VKH dahingehend abgeändert, dass die Verfahrenskosten von der Antragstellerin durch eine einmalige Zahlung i.H.v. 2.529,37 EUR zu erbringen seien.

Die Antragstellerin wendet sich hiergegen mit der sofortigen Beschwerde und macht weiterhin geltend, dass sie insgesamt Verbindlichkeiten hätte, die deutlich über dem Guthaben aus der Lebensversicherung lägen. Weiter hat sie in diesem Kontext vorgebracht, dass sich ihr reales Einkommen im Vergleich zum Zeitpunkt der ursprünglichen VKH-Bewilligung sogar verringert habe.

Durch Verfügung vom 19.10.2023 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde unbegründet ist, eine Stellungnahme ist dazu nicht erfolgt.

Der als sofortige Beschwerde i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO auszulegende "Einspruch" bzw. "Widerspruch" ist statthaft und auch i.Ü. zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

In der ursprünglichen Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vom 22.4.2020 wurde im Abschnitt G.5 die Frage nach Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen offenbar wahrheitswidrig mit "nein" beantwortet. Der Senat hat es vorliegend aber dahingestellt sein lassen, welche Rechtsfolgen dies hätte, da das AG die ursprüngliche Bewilligung der VKH unabhängig von dem vorstehenden zu Recht entsprechend abgeändert hat, dass die Verfahrenskosten aus dem Guthaben der Lebensversicherung zu zahlen sind.

II. Änderungsverfahren gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 120a ZPO

Das Verfahren gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 120a Abs. 1 ZPO ermöglicht es dem AG, nach Bewilligung der VKH die für die VKH maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu überprüfen. Die Partei muss jederzeit auf Verlangen des Gerichts gem. § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO erklären, ob eine Veränderung ihrer Verhältnisse eingetreten ist. Wegen nachträglicher Verschlechterung oder Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse können z.B. die bei der Bewilligung gem. § 120 Abs. 1 ZPO festgesetzten Zahlungen im Nachhinein abgeändert werden. Voraussetzung ist, dass sich die Bedingungen erst nach der Bewilligung der VKH geändert haben, ursprüngliche Unrichtigkeiten fallen nicht in diesen Anwendungsbereich. Die Bewilligung der VKH als solche bleibt dabei unberührt (Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., 2024, § 120a Rn 1).

Die Verhältnisse müssen sich dabei tatsächlich wesentlich verbessert haben, dies ist im Einzelfall zu entscheiden. Die der Bewilligung der VKH zugrundeliegenden Verhältnisse sind mit den aktuellen Verhältnissen zu vergleichen (MüKo ZPO/Wache, 6. Aufl., 2020, § 120a Rn 2). Gem. § 120a Abs. 2 S. 2 ZPO ist bei laufenden monatlichen Einkommen z.B. dann eine wesentliche Verbesserung anzunehmen, wenn die Differenz zu dem bisherigen Bruttoe...

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