§ 788 Abs. 1 ZPO

Leitsatz

Kosten für die Offenlegung einer Lohnabtretung sind keine Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788 Abs. 1 ZPO.

LG Bremen, Beschl. v. 24.11.2021 – 4 T 119/21

I. Sachverhalt

Aus einem Vollstreckungsbescheid betrieb die Gläubigerin im Wege der Forderungspfändung die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner. In ihrem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hatte die Gläubigerin auch Anwaltskosten für die Offenlegung einer Lohnabtretung geltend gemacht. Das Vollstreckungsgericht, das AG Bremerhaven, wies den Antrag hinsichtlich dieser Kosten zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

II. Kosten für die Offenlegung einer Lohnabtretung

1. Kosten der Zwangsvollstreckung

Gem. § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO fallen die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zur Last. Sie können entweder zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch – das war hier der Anspruch der Gläubigerin aus dem Vollstreckungsbescheid – beigetrieben werden. Anderenfalls kann das Vollstreckungsgericht, in verschiedenen Fällen auch das Prozessgericht, die Kosten der Zwangsvollstreckung gem. § 788 Abs. 2 ZPO auf Antrag des Gläubigers in einem gesonderten Kostenfestsetzungsbeschluss titulieren. Im Fall des LG Bremen hatte die Gläubigerin in ihrem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Mitvollstreckung der Kosten beantragt.

2. Begriff der Kosten der Zwangsvollstreckung

Kosten der Zwangsvollstreckung sind Aufwendungen, deren Zweck darin besteht, die Befriedigung der titulierten Forderung zu erreichen (s. BGH AGS 2005, 416 = JurBüro 2005, 496). Dabei handelt es sich um die Kosten, die unmittelbar zur Vorbereitung oder bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung anfallen. Nach Auffassung des LG Bremen müssen Vollstreckungskosten von denjenigen Kosten unterschieden werden, die nicht mehr zur Durchsetzung des Titels gehören und deshalb auch nicht vom Schuldner veranlasst sind.

3. Kosten der Offenlegung der Abtretung

Ob die dem Gläubiger entstandenen Kosten für die Offenlegung der Lohnabtretung zu den Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788 ZPO gehören, ist in vielen Einzelheiten umstritten. Das LG Bremen hat sich der Auffassung angeschlossen, dass die Kosten der Offenlegung einer Lohnabtretung mit der sich anschließenden Vollstreckungshandlung gebührenrechtlich eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG darstellten, sodass der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin die Vergütung nur einmal verlangen kann.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des LG Bremen ist hinsichtlich des Sachverhaltes sehr kurz gefasst und hinsichtlich der Begründung nicht überzeugend. Das LG Bremen hat nämlich bereits den Anfall einer gesonderten Vergütung für den Gläubigervertreter für die Fertigung der Anzeige der Lohnabtretung verneint. Deshalb stellt sich aus der Sicht des LG Bremen gar nicht die Frage, ob diese nach seiner Auffassung tatsächlich nicht gesondert angefallenen Anwaltskosten überhaupt Kosten der Zwangsvollstreckung sein können.

1. Offenlegung der Lohnabtretung

Dem mitgeteilten Sachverhalt ist leider nicht zu entnehmen, wem gegenüber die Gläubigerin hier die Lohnabtretung angezeigt hat. Im Regelfall hat in einem solchen Fall der Schuldner dem Gläubiger den pfändbaren Teil seines Lohnes im Rahmen eines Vergleichs abgetreten. Bei Nichterfüllung der Ratenzahlungsvereinbarung zeigt dann der Gläubiger dem Drittschuldner (= Arbeitgeber des Schuldners) diese Abtretung an.

2. Anwaltsvergütung für die Abtretungsanzeige

Ob die Fertigung und Mitteilung der Abtretung an den Drittschuldner für den mit der Zwangsvollstreckung beauftragten Gläubigervertreter eine gesonderte Vergütung auslösen, ist seit jeher umstritten.

Nach einer Auffassung fällt dem Gläubigervertreter eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV an (LG Kassel AnwBl. 1980, 263; LG Fulda JurBüro 1984, 225 m. Anm. Mümmler; LG Heidelberg Rpfleger 1984, 36, alle für die Geschäftsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO).
Demgegenüber hat das LG Bremen hier die Auffassung vertreten, die Offenlegung der Lohnabtretung stelle mit der sich anschließenden Vollstreckungshandlung – das war hier wohl der Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – eine gebührenrechtliche Angelegenheit dar und werde deshalb durch die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV abgegolten.

Ob die Anzeige einer Lohnabtretung an den Drittschuldner noch zur Vollstreckungsangelegenheit gehört und durch die für die sonstige Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen der Zwangsvollstreckung angefallene 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV abgegolten wird, beurteilt sich nicht – wie das LG Bremen annimmt – nach § 15 RVG, sondern nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG. Danach ist jede Vollstreckungsmaßnahme mit den durch diese vorbereitenden weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit. Folglich bilden alle in einem inneren Zusammenhang stehenden einzelnen Vollstreckungshandlungen innerhalb einer Vollstreckungsmaßnahme eine Einheit und gebührenrechtlich dieselbe Angelege...

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