Das Beratungshilfegesetz (BerHG) wurde am 18.6.1980[1] erlassen. Es handelt sich dabei um den Ausfluss aus dem Prinzip des sozialen Rechtstaates. Das BerHG soll zu anderen rechtlichen Hilfsmöglichkeiten für den Bürger bei der Rechtsdurchsetzung hinzutreten und vor allem dort wirksam werden, wo anderweitige Hilfe hierbei ganz fehlt. Es soll weiter die Chancengleichheit bei der Rechtsdurchsetzung auch für finanziell Minderbemittelte und damit den Gleichheitsgrundsatz nach dem GG wahren. Auch ein minderbemittelter Personenkreis sollte sich seiner Rechte bewusst sein und seine berechtigten Interessen auch unabhängig von seinen finanziellen Mitteln durchsetzen können und nicht an finanziellen Nöten, Schwellenangst oder aufgrund der Bürokratie scheitern.

Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag gewährt, wenn

Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können,
keine anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme den Rechtsuchenden zuzumuten ist,
die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint.

Dabei wird Beratungshilfe je Angelegenheit nur einmal gewährt.

Liegen die Voraussetzungen vor, stellt das AG Rechtsuchenden unter genauer Bezeichnung der Angelegenheit einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe durch eine Beratungsperson ihrer Wahl aus. Die Beratungspersonen erhalten "pro Angelegenheit" für ihre Tätigkeit gem. § 44 RVG eine Vergütung aus der Landeskasse nach den Nrn. 2501–2508 VV. Der Begriff der "Angelegenheit" ist dabei gesetzlich im BerHG und RVG nicht ausdrücklich definiert.[2] Diese Nichtregelung stellt dabei wohl eines der wesentlichen Probleme bei der Feststellung der aus der Staatskasse der Beratungsperson zu erstattenden Vergütung dar. Die hierzu entwickelten Grundsätze des Begriffs der "Angelegenheit" im RVG finden auch im Beratungshilferecht ergänzende Anwendung. Allerdings sollen sie letztlich nicht maßgeblich sein, sondern nur eine Ergänzung. Sofern diese Regelungen einschlägig sind, können sie auch im Beratungshilferecht angewendet werden. Sie können jedoch nicht alle Alternativen umfassen.[3] Der weder im BerHG noch im RVG gesetzlich bestimmte Begriff der "Angelegenheiten" ist daher vielmehr i.S.d. Beratungshilferechts selbst individuell zu würdigen. Maßgeblich wird der Begriff geprägt von der Erwartungshaltung des Rechtsuchenden: "Was soll der Anwalt alles für mich erledigen". Dieser "Arbeitsauftrag" prägt das Bild der Angelegenheit als das gesamte Geschäft, welches der Anwalt für den Mandanten besorgen soll.[4] Der Begriff der "Angelegenheit" ist dabei nicht identisch mit dem "Gegenstand" der Tätigkeit der Beratungsperson und ist daher von diesem engeren Begriff abzugrenzen. Vielmehr kann eine Angelegenheit auch durchaus verschiedene Gegenstände umfassen.

Als Abgrenzungskriterien werden noch immer folgende Punkte gesehen:

Gleichzeitigkeit und Einheitlichkeit des Auftrages,
Gleichartigkeit des Verfahrens (gleicher Rahmen),
innerer Zusammenhang der Beratungsgegenstände.

Die maximale Dauer einer Angelegenheit wird dabei analog § 15 Abs. 5 S. 2 RVG bei zwei Kalenderjahren gesehen.

[1] BGBl 1980 I, 689.
[2] Lissner/Dietrich/Schmidt, BerH mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2021, Rn 215.
[3] AG Pforzheim FamRZ 2016, 396 ff.; OLG Frankfurt NJW-RR 2016, 383; Lissner, JurBüro 2013, 564 ff.; Ders., FamRZ 2013, 1271 ff.
[4] BGH JurBüro 2005, 141; NJW 2004, 1043, 1045; NJW 1995, 1431 und andere.

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